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Paläontologie:Bernsteinblüte

Chinesische Botaniker sind in einem Bernstein auf eine 99 Millionen Jahre alte Blume gestoßen. Der Fund könnte ein altes Rätsel der Evolutionsbiologie lösen, das bereits Charles Darwin an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.

Von Hanno Charisius

Wie ein Gruß aus der Vergangenheit schimmert die Blüte durch den vermutlich 99 Millionen Jahre alten Bernstein. Chinesische Forscher haben sich dieses Kunstwerk der Natur nun einmal sehr gründlich angeschaut und glauben, in dem fossilen Baumharz aus Myanmar in Südostasien nun neue Erkenntnisse zur Pflanzenevolution gefunden zu haben. Im Fachjournal Scientific Reports beschreiben die vier Botaniker die Blüte von Lijinganthus revoluta - so tauften sie das erstaunlich gut erhaltenen Blumen-Fossil, das wahrscheinlich der evolutionäre Vorfahr von zahlreichen heutigen Blumenarten war. Die Forscher betonen jedoch auch, dass sie bislang keine konkrete Verbindung zu heute noch wachsenden Blumenarten herstellen konnten.

Bernstein

Es heißt, dass man nach Stürmen Bernstein an den Stränden der Ostsee finden kann. Doch auch in anderen Teilen der Welt werden die bisweilen klaren, oft aber auch trüben Schmucksteine aus fossilem Harz an Land gespült. Wer von Bernstein spricht, meint meistens jene Sorte mit dem wissenschaftlichen Namen Succinit, der jedoch etwas irreführend die Nomenklatur der Geologen kapert: Die lassen nämlich Namen für Minerale auf -it enden - Bernstein jedoch ist kein Mineral. Das Material ist viel weicher als die meisten Gesteinsarten, schmilzt bereits bei 200 Grad und ist nur ein wenig dichter als Wasser, weswegen es die Wellen so leicht an Land spülen können. Seit der Steinzeit benutzt der Mensch die fossilen Harzbrocken als Schmuck. Esoteriker behaupten eine Wirksamkeit gegen die Schmerzen zahnender Babys, erwiesen ist das jedoch nicht. Als Kette um den Hals von Kindern gehängt, ist Bernstein ein gefährlicher Beißring, da Splitter abbrechen können. Für Paläontologen hingegen sind Bernsteine ohne jede Frage wichtig: Als Zeitzeugen lassen sie Rückschlüsse auf jene Epochen zu, in denen sie entstanden. Manche schlossen Insekten, Pollen oder Pflanzen ein und konservieren sie bis heute. So wie jene Blüte einer 99 Millionen Jahre alten Pflanze, die chinesische Forscher gerade entdeckt haben. Hanno Charisius

Die Paläobotaniker interpretieren ihren Fund in der Zusammenschau mit weiteren Fossilien so, dass die Blumen bereits während der frühen Kreidezeit entstanden sein dürften. Während dieser Erdepoche, die bis vor etwa 66 Millionen Jahren dauerte, scheint es eine regelrechte Explosion in der Evolution der Blütenpflanzen gegeben zu haben. Innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums sind damals sehr viele verschiedene Arten entstanden. Das hatte bereits Charles Darwin festgestellt als er Fossilien von Blütenpflanzen untersuchte. Er konnte sich das Phänomen seinerzeit jedoch nicht erklären.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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