Paläoanthropologie:Spätzünder

75 Jahre Archäologisches Museum Frankfurt 22 06 2012 Frankfurt x1x 75 Jahre Archäologisches Museum

Der Faustkeil war das Universalwerkzeug der Steinzeit.

(Foto: brennweiteffm/imago images)

Neue Funde aus Westafrika zeigen: In manchen Regionen Afrikas hat die Mittlere Steinzeit 20 000 Jahre länger gedauert als bislang gedacht.

Von Christian Weber

Sie waren zweifellos eine der größten technischen Innovationen in der Geschichte der Menschheit - und eine der langlebigsten: relativ große Faustkeile aus feinkörnigem Gestein mit möglichst hohem Quarzgehalt. Vor ungefähr 300 000 Jahren entwickelte sich der moderne Mensch und begann, scharfkantige Steinabschläge als Werkzeuge zu nutzen. Homo sapiens setzte diese Technologie für zahlreiche Arbeiten ein: zum Schneiden, Graben, Schlagen und Schaben. Vor 30000 Jahren dann, so dachte man zumindest bislang in der Paläoanthropologie, ersetzten die Menschen dann die groben Keile durch ein radikal anderes, miniaturisiertes Werkzeugset, das besser geeignet war für veränderte Subsistenznischen. Damit endetet die Mittelsteinzeit. Doch die Aussage könnte in dieser Allgemeinheit ein Irrtum sein.

Neue Funde aus Westafrika zeigen, dass in einigen Regionen der Welt die ursprünglichen Faustkeile noch vor 11 000 Jahren im Einsatz waren, gar nicht so fern von unserer Gegenwart. Das berichten Eleanor Scerri von der Pan-African Evolution Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und Khady Niang von der Universität Cheikh Anta Diop in Senegal in einer Studie im Fachmagazin Scientific Reports. Demnach benutzten Jäger und Sammler dieses afrikanischen Landes die Technologie der Mittleren Steinzeit deutlich länger als anderswo in Afrika.

Über die Gründe dafür spekulieren die Autoren. Wahrscheinlich spielte es eine Rolle, dass die Region des heutigen Senegals damals relativ abgeschnitten war: Im Norden lag die Sahara, im Osten der zentralafrikanische Regenwald. Auch die Flusssysteme seien relativ isoliert gewesen. Es gab also vermutlich wenig Kulturtransfer aus anderen Teilen Afrikas. Womöglich war das Gebiet auch weniger von extremem Klimawandel betroffen, sodass die Menschen dort nicht auf neue Technologien ausweichen mussten. Kurz: Es gab "wenig Bedarf für radikale Veränderungen in der Subsistenz", sagt Eleanor Scerri.

Wichtig ist aber auch eine allgemeine Einsicht für die Paläoanthropologie. Anders, als in den Schulbüchern dargestellt, haben die wichtigsten prähistorischen Kulturphasen der Menschheit nicht in einer sauberen und und universellen Abfolge stattgefunden. Und: Die Forschung hat sich bislang zu Unrecht vor allem auf Ost- und Südafrika konzentriert. Offenbar lief im Westen des Kontinents manches anders.

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