Pädagogik:Die armen Kleinen

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Illustration: SZ (Foto: N/A)

Werden Kinder von Tablets verdorben? Wie steht es um die Bildungschancen eines Schülers, wenn er eine Spielkonsole besitzt? Für besorgte Eltern gibt es viele Ratgeber auf dem Buchmarkt, nicht alle sind seriös.

Von Mirjam Hauck

Darf das Kindergarten-Kind auf dem Tablet spielen? Braucht das Grundschulkind eine Spielekonsole? Ist es gut, wenn Teenager stundenlang Emojis mit ihren Freunden hin- und herschicken? Oder haben digitale Technologien in der Kindheit grundsätzlich nichts verloren?

Aber Verteufelungen helfen nicht weiter, Handy, Computerspiele und Co. werden bleiben. Eltern müssen sich damit auseinandersetzen, wenn sie ihren Kindern einen vernünftigen Umgang damit beibringen wollen. Auch der eigene Achtjährige Sohn hat ein kleines Tablet. Damit spielt er einfache Videospiele, baut echte Lego-Modelle mit Online-Anleitungen nach oder guckt Videos auf einer Kindersender-App. Ein Handy hat er noch nicht, er will auch keines. Er ist eher genervt, wenn seine Eltern zu lange darauf starren. So hat er schon Verbotsschilder gemalt - mit Rot durchgestrichenem Handy, wenn man dem Gerät wieder zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Aber bald will er sicher auch eines. Was tun?

Wer kümmert sich eigentlich um Erwachsene, die ihre Finger nicht vom Handy lassen?

Für verunsicherte Eltern gibt es eine ganze Fülle von Ratgebern. Sie versprechen, "Wie wir unsere Kinder von der digitalen Sucht befreien" (Thomas Feibel: Jetzt pack doch mal das Handy weg/ Ullstein). Sie heißen simpel "Generation Smartphone" (Pia Zimmermann/Fischer & Gnan) oder "Digitale Welt" (Lena Thiele/Ravensburger). Und in der optimistischen Version "Digitale Intelligenz - warum die Generation Smartphone kein Problem, sondern unsere Rettung ist" (Verena Gonsch, Till Raether/Lübbe).

Thomas Feibels hat für seinen Ratgeber mit vielen Experten gesprochen. So kommt der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort zu Wort, der erklärt, dass Eltern eine Vorbildfunktion haben. Das klingt banal, aber wer nicht möchte, dass seine Kinder ständig am Handy hängen, der sollte seinen eigenen Umgang mit dem Gerät reflektieren. Dafür liefert das Buch mit Checklisten und Tests Aha-Erlebnisse. Allerdings sind seine Tipps sind nicht immer stringent argumentiert. So empfiehlt er, dass Eltern beim Restaurantbesuch "viele Malstifte, Papier, Schere und Kleber mitnehmen", sonst würden Kinder darauf konditioniert, bei Langeweile immer Zugriff auf Mobilgeräte zu brauchen. Zum einen sind Kinder keine Pawlowschen Hunde, zum anderen zeigt ein Blick auf Erwachsene, dass es keiner Handys im Kindesalter bedurfte, um in freien Minuten ständig darauf zu starren.

Weniger Experten und Anekdoten, mehr Fakten liefert "Generation Smartphone" von Pia Zimmermann. Die Autorin erklärt die Herkunft des Wortes "posten" genauso wie das Phänomen E-Sport, und Game-Design. Sie stellt Programmiersprachen vor und erläutert das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Das ist viel und trockener Stoff, aber nach der Lektüre lässt es sich leichter mit seinen Kindern auf Augenhöhe diskutieren.

Wer sich zusammen mit seinen (jüngeren) Kindern in das Thema einarbeiten will, für den gibt es aus der "Wieso, weshalb, warum?"-Reihe des Ravensburger Verlages den Band "Digitale Welt". Der beantwortet verständlich die Fragen, was denn ein Computer überhaupt sei, wie das Internet und soziale Medien funktionieren, was ein Cyborg ist und ob bald unsere ganzes Leben digital sein wird.

Keine Angst, dass ihr Sohn als computersüchtiger Alien endet, hat Verena Gonsch. In "Digitale Intelligenz" kommt wie bei Feibel der Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort zu Wort. Er erinnert sich an Eltern, die glücklich waren, ihre Kinder möglichst lange von Süßigkeiten fernzuhalten, nur damit diese sich bei Kindergeburtstagen bei anderen Familien wie ausgehungert auf die Schokolade stürzen. Die Analogie ist klar: Was verboten ist, wird dadurch erst interessant. Auch hält er die heutige Jugend für sozial kompetent. Er rät Eltern einen Zettel auf den Kühlschrank zu kleben, auf dem steht: "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Kinder durch die Benutzung digitaler Medien dümmer werden oder in der Schule schlechter abschneiden!"

Gonsch fordert Eltern auf, sich der Digitalisierung zu stellen, denn ein Zurück zur Offline-Welt zu Stockbrot und Lagerfeuer werde es nicht mehr geben. Und sie geht noch einen Schritt weiter. Es sei die "Pflicht" der Eltern, die Kinder für diese Herausforderungen fit zu machen, sonst blieben sie und der Standort Deutschland auf der Strecke. Diese kapitalistische Verwertungslogik muss man nicht unterstützen, aber es ist angenehm, den nicht nörgelnden Blick auf digitale Technologien zu lesen. Auch weil Neugier und Interesse der spannendere Weg sind, um mit seinen Kindern durchs Leben zu gehen.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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