Süddeutsche Zeitung

Ozeanversauerung:Der böse kleine Bruder der Klimaerwärmung

Lesezeit: 1 min

Durch den Klimawandel sinkt der pH-Wert in den Ozeanen. Das saure Wasser wird die Pflanzen- und Tierwelt im Meer verändern und Ökosysteme auf der ganzen Welt zerrütten. Doch einige Organismen werden profitieren.

Von Christopher Schrader

Neben der Erwärmung der Atmosphäre ist die Versauerung des Ozeans eine bedrohliche Folge des Klimawandels. Ein internationales Team von Forschern warnt jetzt vor den unabsehbaren Folgen, die das für die belebte Natur in den Meeren und darüber hinaus haben könnte. Die Versauerung des Wassers sei eine "ernste Bedrohung", heißt es in einem Sachstandsbericht, den die Forscher am Mittwoch auf der Konferenz der Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention (CBD) in Pyeongchang/Südkorea vorlegen. Das veränderte chemische Milieu steigere die Effekte des wärmeren, teils auch sauerstoffärmeren Wassers. Die Versauerung sei der "böse kleine Bruder der Klimaerwärmung", sagt Felix Mark vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, einer der Leitautoren des Berichts. "Nach dem, was wir momentan beobachten, sieht es danach aus, dass wir auf tief greifende Veränderungen zusteuern."

Die entscheidende Folge der Versauerung ist, dass für viele Meerestiere und -pflanzen die Aufnahme von Kalk für ihre Schalen und Skelette schwierig bis unmöglich wird. Bis heute ist das Meereswasser mit einem pH-Wert von etwa 8,1 leicht basisch, der Wert ist im Industriezeitalter um 0,1 in Richtung neutraler Verhältnisse bei pH 7 gesunken und sinkt weiter. Im Jahr 2100 könnte er 7,7 erreichen. Die Veränderung sieht klein aus, aber da die Skala umgekehrt logarithmisch ist, bedeutet die Verringerung um einen pH-Punkt eine Verzehnfachung der Wasserstoffionen, die in chemische Reaktionen eingreifen und sie durcheinanderbringen können.

Schon die bereits eingetretene Veränderung bedeutet eine Steigerung der Ionen um 30 Prozent. Wo heute Muscheln oder Algen im Nordatlantik in den obersten 2000 Metern Kalk aufnehmen können, schaffen sie das gegen Ende des Jahrhunderts nur noch in den obersten 100 Metern, so die Forscher.

Manche Organismen können sich dieser Veränderung langsam anpassen. Seetang und Seegräser profitieren gar davon, erklären die Wissenschaftler. Damit verschiebt sich nicht nur die Basis entscheidender Nahrungsnetze und so auch der Fischerei. Höhere Lebewesen wie Fische sind auch direkt betroffen. "Der Polardorsch ist zum Beispiel eine Schlüsselart für das arktische Ökosystem, und unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass er relativ empfindlich auf die neuen Lebensbedingungen reagiert", sagt Felix Mark.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2162624
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.10.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.