Organtransplantation:"Ich versuche, jeden Tag ganz intensiv zu leben"

Die Leichtathletin Franziska Liebhardt lebt mit einer fremden Lunge. Durch sportliche Erfolge demonstriert sie: Eine Transplantation ist keine Notlösung.

Cordula Sailer

Nur ein Jahr nach ihrer Lungentransplantation hat die Leichtathletin Franziska Liebhardt es wieder aufs Siegertreppchen geschafft. Bei den Deutschen Meisterschaften für Organtransplantierte und Dialysepatienten in Bremen hat die 28-jährige Würzburgerin dieses Jahr zwei Goldmedaillen in Hoch- und Weitsprung sowie eine Silbermedaille im Sprint gewonnen. Durch ihre sportlichen Erfolge will die Physiotherapeutin zeigen, dass eine Organspende keine "Notlösung" ist. Im Gegenteil: Sie schenkt neues Leben.

Franziska Liebhardt

Franziska Liebhardt hat zweimal Gold und einmal Silber bei den Deutschen Meisterschaften für Organtransplantierte und Dialysepatienten gewonnen.

(Foto: privat)

sueddeutsche.de: Frau Liebhardt, Sie leben seit einem Jahr mit einer fremden Lunge. Haben Sie jetzt andere Prioritäten als früher?

Franziska Liebhardt: Ja, die Prioritäten haben sich schon geändert. Dinge, die mir früher wichtig waren, sind in den Hintergrund getreten. Ich lebe heute viel bewusster, denn am Schluss war das bei mir auf der Intensivstation alles sehr knapp: Es war nicht klar, ob ich noch überlebe, bis das Organ kommt. Jetzt versuche ich einfach, jeden Tag ganz intensiv zu leben und mir bewusst zu sein, dass es schnell auch anders sein kann: Es gibt einfach keine Garantie, dass man lange lebt - auch wenn man jung ist.

sueddeutsche.de: Was machte eine Transplantation bei Ihnen notwendig?

Liebhardt: Ich leide seit einigen Jahren an einer Autoimmunerkrankung. Eine Lungenfibrose hat dann über mehrere Jahre dazu geführt, dass die Lunge komplett versagte.

sueddeutsche.de: Wann haben Sie wieder angefangen Sport zu treiben?

Liebhardt: Die Transplantation ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her. Mit Sport habe ich eigentlich direkt nach der Transplantation in der Rehabilitation wieder angefangen.

Dreieinhalb Wochen nach der Transplantation bin ich in die Reha verlegt worden und habe dann mit Fahrradergometer-Training und ein bisschen Ausdauertraining angefangen. Mit der Leichtathletik habe ich dann erst ungefähr sechs Monate nach der Transplantation so richtig wieder losgelegt.

Es durchaus empfohlen, Sport zu treiben. Die ärztliche Empfehlung ist, dass man mindestens zwei bis dreimal die Woche Ausdauertraining für den Kreislauf machen soll. Es gibt auch Untersuchungen, die zeigen, dass bei Leuten, die Sport treiben, die Organe nach der Transplantation länger funktionsfähig bleiben als bei Leuten, die sich danach wenig bewegen oder wenig Sport machen.

sueddeutsche.de: Bei Ihnen war über längere Zeit absehbar, dass Sie eine neue Lunge brauchen. Haben Sie sich schon früh auf die Warteliste setzen lassen?

Liebhardt: Die Empfehlung, mich auf die Warteliste setzen zu lassen, kam ungefähr ein Jahr vor der Transplantation und da konnte ich mich noch nicht dazu entschließen, weil ich hoffte: Vielleicht findet sich noch irgendein Medikament, das hilft. Und ich wollte es auch nicht so richtig wahrhaben.

Ich habe dann verschiedene Therapien mit Medikamenten gemacht und immer gehofft, dass die Lunge noch irgendwie zu retten ist.

Letztendlich habe ich mich viel zu spät auf die Warteliste setzen lassen. Auf der Liste gibt es drei verschiedene Dringlichkeitsstufen und ich kam dann innerhalb kurzer Zeit auf die höchste, weil es mir zu diesem Zeitpunkt bereits sehr schlecht ging. Ich hatte großes Glück und musste nur drei Monate warten. Das ging alles relativ schnell, aber nur, weil ich schon lebensgefährlich krank war.

Für Lungenpatienten ist die Wartezeit auch nicht so lange. Nierenpatienten warten bis zu acht Jahre auf eine neue Niere. Lungen-, Herz- oder auch Leberpatienten können natürlich nicht so lange warten, da für diese Organe keine Ersatztherapie wie die Dialyse möglich ist. die würden vorher sterben. Die Wartezeiten betragen jedoch auch hier unter Umständen mehrere Jahre. Ich kenne Patienten, die ein bis drei Jahre warten mussten. Täglich sterben in Deutschland im Schnitt drei Menschen auf der Warteliste, weil nicht rechtzeitig ein Organ zur Verfügung steht.

sueddeutsche.de: Gab es oder gibt es Einschränkungen durch die neue Lunge, an die Sie sich nur schwer gewöhnt haben?

Liebhardt: Ich habe jetzt eine so gute Lebensqualität, dass ich diese Einschränkungen gerne in Kauf nehme.

Ich nehme viele Medikamente, die das Immunsystem herunterfahren, damit der Körper das Organ nicht abstößt. Dadurch ist man anfälliger für Infektionen. Deshalb muss man zum Beispiel beim Essen aufpassen und darf nichts mehr essen, was keimbehaftet ist: rohes Fleisch, Fisch oder Gemüse sind tabu - man muss alles kochen.

Ansonsten muss man einfach im Alltag ein bisschen aufpassen: Man sollte wegen der Infektionsgefahr größere Menschenmengen meiden und öffentliche Verkehrsmittel nur eingeschränkt benutzen. Durch die Medikamente ist zudem das Hautkrebsrisiko erhöht, so dass man gerade im Sommer nur mit gutem Sonnenschutz in die Sonne gehen sollte.

Wenn ich daran denke, wie es mir vor der Transplantation ging und wie es mir heute geht, dann lohnen sich diese Einschränkungen aber auf jeden Fall. Ich führe trotz allem ein weitgehend normales Leben.

sueddeutsche.de: Hat man nicht eine innere Blockade nach so einer Operation und denkt, man müsse sich schonen? Wie schafft man es, wieder alles zu geben und sein Leben auszukosten - nicht nur im Sport?

Liebhardt: Von mir selbst kann ich gar nicht sagen, dass ich große Hemmungen hatte.

Ich habe mich einfach sehr gefreut, dass ich wieder Sport machen darf, weil ich das lange nicht konnte, aber eigentlich schon immer ein sportlicher Mensch war. Bei mir hat einfach die Freude überwogen und ich habe mich dann auch relativ schnell getraut, mich wieder voll zu belasten.

Darin bin ich auch von den Ärzten bestärkt worden: Die haben mich ermutigt, ein möglichst normales Leben zu führen und nicht so was Besonderes aus der ganzen Geschichte zu machen.

Zu wenig Spender

sueddeutsche.de: Eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2009 hat ergeben, dass rund zwei Drittel der Deutschen bereit wären, nach ihrem Tod ein Organ oder Gewebe zu spenden. 95 Prozent wissen, dass es einen Organspendeausweis gibt, aber nur 17 Prozent besitzen wirklich einen. Was denken Sie, ist der Grund dafür?

Liebhardt: Ich vermute, dass die Leute nicht bereit sind oder Angst davor haben, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen. Vor allem junge Leute sagen: Mich wird das nicht betreffen.

Das habe ich auch in meinem eigenen Bekanntenkreis so erfahren. Aber weil durch mich dieses Thema auf den Tisch kam, haben sich viele doch damit beschäftigt und Organspendeausweise ausgefüllt. Von sich aus hätten sie es, glaube ich, nicht gemacht.

Was ich auch immer wieder höre, ist, dass Leute Angst davor haben, in der Klinik nicht richtig versorgt zu werden, wenn sie einen Organspendeausweis haben, weil die Ärzte angeblich nur auf die Organe aus sind. Da kursieren ein paar Horrorgeschichten, die man immer wieder hört. Das ist natürlich Quatsch. Ich denke, da muss man einfach Aufklärungsarbeit leisten.

Ein weiteres Problem in Deutschland ist, dass viele Kliniken potentielle Organspender, die sie auf ihren Intensivstationen haben, gar nicht an die Deutsche Stiftung Organtransplantation, also die DSO, oder an Eurotransplant melden, weil das ein relativ hoher organisatorischer Aufwand ist. Damit gehen natürlich viele Organe verloren.

sueddeutsche.de: Wie könnte denn das System der Organspende in Deutschland verbessert werden?

Liebhardt: Wir haben ja in Deutschland die sogenannte erweiterte Zustimmungslösung: Man muss vorher zugestimmt haben, Organspender zu werden. Wenn ich selbst nicht zugestimmt habe, dann können meine Angehörigen das für mich nach dem Tod tun und den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen weitergeben.

In anderen Ländern wie beispielsweise in Spanien oder Österreich gilt die sogenannte Widerspruchslösung. Das heißt, dass jeder automatisch Organspender ist, außer er widerspricht zu Lebzeiten.

So muss sich dort irgendwie jeder mit dem Thema befassen und dadurch haben die Spanier und Österreicher auch deutlich mehr Organspender als wir in Deutschland. Zumindest nehme ich an, dass die höheren Spenderzahlen in diesen Ländern damit zusammenhängen. Es wird immer wieder in der Politik diskutiert, ob es diese Regelung bei uns auch geben soll, aber das ist schwierig durchzusetzen.

Von Seiten der DSO wird auch daran gearbeitet, sogenannte Transplantationsbeauftragte in große Kliniken mit Intensivstationen zu bringen.

Diese Beauftragten kümmern sich um das Organisatorische für den Fall, dass ein Spender auf der Intensivstation verstirbt, sodass die Kliniken nicht mehr davor zurückschrecken, einen Organspender zu melden, nur weil es ein hoher bürokratischer Aufwand ist.

sueddeutsche.de: Demnächst wollen Sie bei den Europameisterschaften im August in Dublin wieder sportlich aktiv sein. Was ist dort Ihr persönliches Ziel?

Liebhardt: Für die Wettkämpfe habe ich mir vorgenommen, auf jeden Fall eine Medaille zu gewinnen. Ich freue mich auf die Wettkämpfe, weil sie international sind und das ist natürlich noch mal anders, als bei den Deutschen Meisterschaften. Im Moment trainiere ich dreimal in der Woche im Leichtathletik-Stadion dafür und bin dreimal im Fitness-Studio zum Kraft-und Ausdauer-Training.

Einen Organspendeausweis können Sie unter folgender Adresse bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung anfordern: www.organspende-info.de

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