Süddeutsche Zeitung

Open Access in der Forschung:Wissen soll für alle sein

  • Forschungsförder-Einrichtungen aus elf Ländern finanzieren von 2020 an nur noch Projekte, deren Ergebnisse frei zugänglich im Internet veröffentlicht werden.
  • Mit diesem Open-Access-Modell sollen Experten und Laien weltweit stets lesen können, was andere Wissenschaftler herausgefunden haben.
  • Bislang verlangen die Verlage wissenschaftlicher Magazine oft horrende Preise für Abonnements.

Von Jan Schwenkenbecher

Die Daten der Welt liegen bei Google und Facebook, aber das Wissen der Welt, das liegt woanders. Ein großer Teil davon zumindest ist in der Hand einiger weniger Wissenschaftsverlage, die den Zugang zu ihren Fachmagazinen in Form teurer Abonnements verkaufen. Schon seit Jahren fordern Universitäten und Forschungseinrichtungen, das Modell zu ändern und wissenschaftliche Artikel im Internet frei zugänglich zu machen, man nennt das Open Access. Mit der Zeit wurde der Ruf immer lauter, nun wurde er erhört. Am Dienstag beschlossen elf nationale Forschungsförderer und der Europäische Forschungsrat, künftig nur noch solchen Projekten Geld zu geben, deren Ergebnisse frei zugänglich im Internet veröffentlicht werden.

Die jetzt aktiv gewordenen Forschungsförderer sind Vereine und Organisationen, die in ihren Ländern mit oft Hunderten Millionen Euro jährlich wissenschaftliche Projekte fördern. Das Geld kommt in der Regel vom Staat. Wer an einer Universität forscht, kann bei ihnen Zuschüsse beantragen, mit denen etwa eine Stelle, benötigte Geräte oder auch Reisen zu Konferenzen bezahlt werden. Organisationen aus elf verschiedenen Ländern haben nun die Initiative "cOAlition S" gegründet und angekündigt, von 2020 an nur noch Projekte zu fördern, wenn die Ergebnisse Open-Access-publiziert werden. Auch der Europäische Forschungsrat schloss sich der Initiative an.

Die Förderer werden den Forschern die Gebühren für ihre Veröffentlichungen bezahlen, die sie beim Open Access-Modell selbst zu tragen haben. Dabei soll es einen Maximalbetrag geben, damit die Verlage nicht zu hohe Preise verlangen. Zudem sollen Kriterien erarbeitet werden, bei welchen Magazinen die Forscher veröffentlichen dürfen, um zu verhindern, dass sie ihre Arbeiten bei unseriösen Journalen publizieren. Die Förderer sollen das überwachen.

Ziel der Initiative ist, dass künftig jeder Wissenschaftler und auch interessierte Laien Zugang zumindest zu jenen Forschungsergebnissen bekommen, die mithilfe öffentlicher Gelder zustande kamen. Bislang werden Studien meistens in Fachmagazinen veröffentlicht, die nur lesen kann, wer bei den herausgebenden Verlagen Abonnements abschließt. Weil einige wenige Verlage einen Großteil des Markts kontrollieren - 2016 erschienen 40 Prozent aller Artikel bei Elsevier, Springer Nature, Wiley oder Taylor & Francis -, haben die Abos enorme Preise. Zuletzt ließen immer mehr deutsche Universitäten ihre Verträge mit den Verlagen auslaufen, weil sie ihnen zu teuer wurden.

"Publikations-Paywalls enthalten einem großen Teil der Wissenschaftlichen Community und der ganzen Gesellschaft einen substanziellen Anteil von Forschungsergebnissen vor", sagt Marc Schiltz, Präsident der Forschungsförderer-Vereinigung Science Europe, die "cOAlition S" gründete. "Keine Wissenschaft sollte hinter Paywalls verschlossen bleiben."

Deutsche Organisationen zögern

Die elf beteiligten Einrichtungen stammen aus Frankreich, Großbritannien, Schweden, Norwegen oder den Niederlanden. Aus Deutschland ist bislang keine dabei.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft setzt sich auch für Open Access ein, "begrüßt" in einem Statement auch "das koordinierte Zusammenwirken". Man nehme aber an, dass Open-Access-Verpflichtungen zu erhöhten Publikationsgebühren führen können, "ein Effekt, den es zu minimieren gilt." Dennoch wolle man Forscher künftig dazu auffordern, ihre Ergebnisse öffentlich zugänglich zu machen; die Open Access-Richtlinie werde gerade überarbeitet.

Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, nannte die Initiative einen "wichtigen Baustein" auf dem Weg zu einem Open Access-Modell, da es die "Schlüsselrolle der Forschungsförderer" betone. Hans-Christian Pape, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, sagte, die Humboldt-Stiftung unterstütze Open Access finanziell und ideell. Es widerspreche aber den Grundsätzen, Forschern vorzuschreiben, wo und wie sie veröffentlichen sollen.

Dem erwiderte Ralf Schimmer, stellvertretender Leiter der Max Planck Digital Library, die sich seit über zehn Jahren für Open Access einsetzt, dass Forscher immer noch veröffentlichten könnten, wo sie mögen. Die entsprechenden Kosten könnten dann in diesen Fällen immer noch von den Universitäten oder Einrichtungen übernommen werden. "Wir begrüßen das Projekt cOAlition S sehr."

Immerhin: Der cOAlition S-Initiative können auch künftig noch Förderorganisationen beitreten.

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