Fossile Energiewirtschaft:Kein Plan für den Ausstieg

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Die allermeisten Energiekonzerne sind weit davon entfernt, Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts anzusteuern. (Foto: Fernando Llano/dpa)

Immer mehr Öl- und Gaskonzerne bekennen sich zum Pariser Klimaabkommen. Eine Analyse britischer Ökonomen zeigt aber: Fast kein Unternehmen plant tatsächlich, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Von Benjamin von Brackel

Am 14. Dezember 2020 trat Darren Woods vor die Presse und verkündete, dass sich sein Unternehmen an den Zielen des Pariser Klimavertrags ausrichten und seinen CO₂-Ausstoß dementsprechend verringern werde. "Wir respektieren und unterstützen die Bestrebungen der Gesellschaft, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen", sagte er.

Das Bemerkenswerte dabei: Woods ist Chef von Exxonmobil, einem US-Ölkonzern, der über Jahrzehnte hinweg alles dafür getan hat, die Klimawissenschaft mit Desinformationskampagnen zu diskreditieren, um ambitionierte Klimapläne zu verhindern und damit das eigene Geschäftsmodell zu bewahren. Die Zeit, in der Energiekonzerne den Klimawandel aber ignorieren können, scheint vorbei zu sein: Die Unternehmen geraten immer stärker unter Druck durch Investoren, Regierungen und Gerichte, die Pläne für einen Übergang in eine Welt ohne fossile Energien einfordern. Die Folge: Immer mehr Öl- und Gaskonzerne schrecken vor Großinvestitionen in neue, teure Förderprojekte zurück und bekennen sich öffentlichkeitswirksam zum Klimaschutz.

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Was da wirklich dran ist, haben Ökonomen um Simon Dietz von der London School of Economics and Political Science untersucht. "Der Sektor ist nicht auf Zielkurs", schreiben sie im Fachjournal Science. Von den 52 untersuchten Öl- und Gaskonzernen hätten fast die Hälfte noch keine CO₂-Ziele vorgelegt oder diese klar angegeben. Die andere Hälfte der Unternehmen hätte zwar Ziele verabschiedet, allerdings seien diese in den meisten Fällen nur schwach oder zu eng gefasst.

Was mit dem Öl geschieht, das sie verkaufen? Dafür fühlen sich die Konzerne nicht verantwortlich

Die Ökonomen verglichen die Klimaziele der Unternehmen mit Zielen im Pariser Klimavertrag, also einer Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, auf unter zwei Grad oder auf zwei Grad. Lediglich zwei Konzerne befanden sich demnach auf Zielkurs: Das US-Unternehmen Occidental Petroleum will seine CO₂-Intensität bis Mitte des Jahrhunderts auf null drücken, und zwar indem es Kohlendioxid aus der Luft filtern lassen will. Diese Pläne stünden sogar im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel. Der niederländische Mineralölkonzern Shell wiederum will seine CO₂-Intensität bis Mitte des Jahrhunderts um 65 Prozent senken, und zwar indem es sein Geschäft nach und nach auf Ökoenergien umstellt. Damit läge es zumindest auf einem Kurs unterhalb von zwei Grad. Eni, Repsol und Total würden leicht über zwei Grad anpeilen.

Die allermeisten Energiekonzerne seien aber weit davon entfernt, Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts anzusteuern. Entweder weil ihre Pläne nicht ausreichen oder weil diese sich nur auf die eigene Förderung, Verarbeitung und den Transport von Öl und Gas beziehen, nicht aber auf die Verbrennung der fossilen Kraftstoffe. "Sie sind immer noch Öl- und Gasproduzenten", sagt Dietz. "Nur wollen sie sauberere Produzenten sein."

Das Kalkül von Exxonmobil & Co.: Was mit dem Erdgas oder Erdöl, das sie verkaufen, am Ende geschieht - dafür seien andere verantwortlich: diejenigen, die Auto fahren, das eigene Haus heizen oder Industrieanlagen betreiben. "Das ist aber nur ein sehr kleiner Teil des gesamten Fußabdrucks", sagt Dietz. "Es fällt schwer, das glaubwürdig zu finden."

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Den Autoren fiel auch auf, dass die kurzfristigen Ziele der Unternehmen keineswegs vorsehen, den CO₂-Ausstoß rapide zu senken. Das mag auch daran liegen, dass viele Länder die Öl- und Gasindustrie weiter unterstützen, wie auch der neueste Production Gap Report des UN-Umweltprogramms zeigt. Demnach planen die 15 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zwar, bis 2040 weniger Kohle zu fördern, dafür aber mehr Öl und Gas - und das, obwohl viele von ihnen Klimaneutralität bis 2050 versprochen haben. Damit würden die Regierungen im Jahr 2030 doppelt so viel fossile Energien produzieren, wie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist, und immer noch 45 Prozent mehr, als mit dem Zwei-Grad-Ziel vereinbar ist. Im Jahr 2040 würde sich die Lücke noch einmal deutlich vergrößern.

Der aktuelle Preisschub zeigt, wie abhängig die Welt noch immer von fossilen Energieträgern ist

"Die Regierungen müssen sicherstellen, dass ihre Haltung zur Produktion fossiler Brennstoffe mit ihren langfristigen Klimazielen übereinstimmt", sagt Dietz. "Viele dieser Unternehmen sind zwar private, aber die Regierungen können den Rahmen vorgeben und etwa Subventionen abbauen." Derzeit geht der Trend allerdings in die andere Richtung: Seit dem Beginn der Pandemie habe allein die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer fast 300 Milliarden Euro in fossile Brennstoffe investiert - und damit mehr als in saubere Energien.

Auch der aktuelle Erdgasmangel und die hohen Preise für Öl und Gas zeigen, wie abhängig die Welt noch immer von fossilen Energiequellen ist. Einen langfristigen Schub muss es angesichts der aktuellen Lage aber nicht unbedingt für die fossilen Energiequellen geben. "Bis die Energiekonzerne tatsächlich große Investitionen anschieben, bräuchte es einen noch deutlich höheren Ölpreis, der länger anhält", sagt die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Und weil die Kosten für Öl und Gas hoch sind, steigen sogar womöglich mehr Verbraucher um auf E-Autos, Wärmepumpen und Pelletheizungen."

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