Insekten:Giftige Ölkäfer sind in Deutschland unterwegs

Insekten: Nicht anfassen und nicht in den Mund stecken - dann kann eigentlich wenig passieren, wenn einem im Garten ein Schwarzblauer Ölkäfer über den Weg läuft.

Nicht anfassen und nicht in den Mund stecken - dann kann eigentlich wenig passieren, wenn einem im Garten ein Schwarzblauer Ölkäfer über den Weg läuft.

(Foto: Frank Hammerschmidt/dpa)

Das Gift des Schwarzblauen Ölkäfers kann einen Menschen töten. Die Zahl der Tiere hat nun offenbar zugenommen. Sie sind aber nicht aggressiv und streng geschützt.

Von Tina Baier

Nicht nur Menschen zieht es nach draußen, wenn sich jetzt nach dem verregneten und kühlen April die Sonne öfter durchsetzt und die Temperaturen langsam steigen. Auch viele Insekten kommen aus ihren Verstecken herausgekrabbelt. Die meisten von ihnen sind harmlos, doch auch in Deutschland gibt es einige, vor denen man sich in Acht nehmen sollte. Neben Wespen, Bienen und Hornissen, von denen jeder weiß, dass sie stechen können, gehört auch der weniger bekannte Schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) in diese Kategorie.

Die bis zu drei Zentimeter langen, schwarz glänzenden Käfer enthalten nämlich das Gift Cantharidin. Nur wenige Milligramm der Substanz genügen, um einen erwachsenen Menschen zu töten. Im antiken Griechenland wurden die Tiere beziehungsweise ihr Gift deshalb wie der bekanntere Schierlingsbecher für Hinrichtungen verwendet.

Gerade scheinen die Tiere in Deutschland gehäuft unterwegs zu sein. In Nordrhein-Westfalen mussten kürzlich Teile eines Schulhofs gesperrt werden, weil dort gleich mehrere Ölkäfer gesichtet wurden. Die gute Nachricht ist, dass das Gift der Ölkäfer nur tödlich wirken kann, wenn man es verschluckt, was man ja bei einem mehrere Zentimeter großen Insekt normalerweise nicht tut. Falls es dennoch dazu kommt, sollte man schnellstmöglich die Giftnotzentrale kontaktieren.

Bei Hautkontakt entstehen Rötungen und Blasen

Allerdings sollte man Ölkäfer auch nicht anfassen, da sich die Insekten dann bedroht fühlen und das Gift in Form einer öligen Substanz aus ihren Kniegelenken absondern. Die Folgen bei Hautkontakt sind nicht dramatisch, aber unangenehm: Es entstehen Rötungen und Blasen. Die Giftnotzentrale rät, in diesem Fall gründlich die Hände mit Seife zu waschen und die betroffene Stelle zu kühlen.

Die Käfer sind nicht aggressiv und krabbeln üblicherweise eher behäbig zum Beispiel über Gartenwege. Und natürlich produzieren sie ihr Gift nicht, um Menschen zu schaden. Das Cantharidin schützt die Insekten davor, zum Beispiel von Ameisen gefressen zu werden. Das erklärt auch die eher ungewöhnliche Lage der Giftporen an den Kniegelenken: Ameisen greifen meist von unten an.

Wer die Käfer in Ruhe lässt, hat also nichts zu befürchten. Im Gegenteil: "Eigentlich ist es ein gutes Zeichen, wenn Ölkäfer im Garten sind", sagt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtierstiftung. Es bedeutet, dass der Garten ökologisch zumindest einigermaßen intakt ist: Wo Ölkäfer sind, muss es nämlich auch Sandbienen geben, weil die Käfer die Bienen brauchen, um sich zu vermehren. Und Sandbienen gibt es nur in naturnahen Gärten; in einer Umgebung mit vom Mähroboter überwachtem Rollrasen und Gabionen überleben sie nicht.

Die Käfer können sich nur vermehren, wenn sie Sandbienen treffen

"Ölkäfer sind Parasiten von Sandbienen", sagt Jenifer Calvi. Die Larven der Käfer klettern auf Blüten und warten dort auf ahnungslose Bienen, die dort Futter sammeln wollen. Kommt eine vorbei, krallt sich die Larve fest und lässt sich in das Nest der Sandbiene fliegen. Dort angekommen, krabbelt sie in die Brutkammer und frisst zuerst das Ei der Sandbiene und dann auch noch den gesamten Vorrat, den die Biene eigentlich für ihren Nachwuchs angelegt hat. Satt und vollgefressen verlässt die Käferlarve das Bienennest und kann danach ohne weitere Nahrungsaufnahme im Boden überwintern. Im nächsten Frühjahr schlüpfen dann nach weiteren Zwischenstadien die fertigen Käfer, die nur etwa einen Monat lang leben.

Manchmal klettern die rötlich-gelb gefärbten Larven des Ölkäfers auch nicht einzeln auf eine Blüte, sondern "rotten sich zusammen und imitieren selbst eine Blüte", sagt Calvi. Bienen, die darauf hereinfallen, sind sofort von mehreren Larven übersät.

Die Vermehrungsstrategie der Ölkäfer ist raffiniert, aber auch riskant: Die meisten Blüten werden nämlich von verschiedenen Insekten besucht und die Larven krallen sich an allem fest, was haarig ist und fliegen kann. Endet der Flug dann im Nest einer Honigbiene oder einer Hummel, stirbt die Larve. Ihr Leben geht nur weiter, wenn sie das Glück hat, zufällig auf eine Sandbiene zu treffen.

Schätzungen zufolge wird nur aus einer von tausend Larven ein fertiger Ölkäfer. Das ist auch einer der Gründe, warum Ölkäfer relativ selten sind. In Deutschland stehen sie auf der Roten Liste gefährdeter Arten und sind streng geschützt.

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