Süddeutsche Zeitung

Ölbohrungen:Im Tiefenrausch

Am Meeresgrund, weit vor den Küsten, bohren die Konzerne nach den letzten großen Erdölvorkommen - die Förderung wird immer aufwendiger und gefährlicher.

Jeanne Rubner

Tiefer, ferner, komplizierter und teurer - so muss man sich das Bohrloch der Zukunft vorstellen. Wer heutzutage noch große Reservoirs an Erdöl anzapfen will, kommt nicht darum herum, im Meer, weit entfernt von den Küsten, tiefe Löcher zu bohren.

Denn egal, ob "Peak Oil" - jenes fast magische Fördermaximum - schon demnächst, in zehn oder erst in 50 Jahren erreicht sein wird: Die großen Ölfelder unter dem Erdboden wie etwa das saudi-arabische Ghawar, aus denen die Menschheit einen großen Teil ihres Energiehungers stillt, gehen zur Neige.

"Die einfachen Funde gibt es nicht mehr", sagt Jürgen Messner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Auch Chefökonom Fatih Barol von der Internationalen Energie-Agentur in Paris ist überzeugt, dass in Zukunft "mehr Öl aus dem Meer geholt" werden muss.

Und so sind in den vergangenen Jahren die Tiefsee-Fördergebiete (Tiefsee heißt etwa 1500 Meter unter dem Wasserspiegel) in den Fokus der Geologen und Ölkonzerne geraten. Ihre Hoffnungen ruhen ganz besonders auf den Unterwassergebieten vor den Küsten Brasiliens, Westafrikas, Indonesiens und eben auch im Golf von Mexiko.

So pumpt der Ölgigant Total vor der Küste Angolas täglich bereits eine halbe Million Fass aus den Tiefen des Meeres. Und im Tupi-Feld vor Brasiliens Küste soll die Menge von acht Milliarden Fass Rohöl lagern - damit ließe sich die Menschheit drei Monate lang versorgen.

Die Grenzen des Machbaren verschieben sich immer weiter in die Tiefe: Inzwischen reden die Fachleute von "ultratiefem" Bohren: Auf dem Meeresgrund, in 3000 Metern Wassertiefe, jagen sie ihre Bohrmeißel durch weitere, mehrere tausend Meter mächtige Gesteinsschichten.

Chevron etwa macht das im Golf von Mexiko. Zur Hilfe kommen den Förderfirmen dabei ausgefeilte Techniken, mit denen sich nicht nur in die Tiefe, sondern auch parallel zu Gesteinsformationen bohren lässt.

Nur, die Naturgesetze können auch sie nicht außer Kraft setzen. Je tiefer die Bohrung, umso aufwendiger. Ganz abgesehen von Stürmen und Meeresströmungen, die auf der offenen See Plattformen und Förderschiffe gefährden, müssen sich die Geologen mit physikalischen Problemen herumschlagen: Der Druck ist enorm, die Temperaturen sind es auch. Das Öl aus großen Tiefen kann 350 Grad Celsius heiß sein, das Wasser am Meeresboden dagegen ist mit einigen Grad eher kühl.

Da muss man zum Beispiel dafür sorgen, dass das Öl nicht hart wird und die Rohre zerstört. Nicht zu vernachlässigen ist auch die komplizierte Logistik.

Die Crew - gewöhnlich werden die Techniker für jeweils zwei Wochen auf eine Plattform gebracht - muss manchmal zweihundert Kilometer vom Land entfernt aufs offene Meer geflogen werden. Auch die Wartung und, wie jetzt im Fall der havarierten Deepwater Horizon, die Bergung sind auf hoher See komplizierter als direkt vor der Küste.

Ingenieure wie Jürgen Messner halten die Technik gleichwohl für "ausgereift". "Die Anforderungen an die Technik sind sehr hoch." Dass die Förderung nicht immer im Einklang mit der Natur geschieht, müsse man akzeptieren, sagt der Fachmann für Rohstoffe.

Auch der Abbau von Kohle sei schließlich weder ungefährlich noch ökologisch harmlos. Richtig ist, dass die Selbstheilungskräfte der Natur zuweilen überraschend groß sind, wie Öltankerhavarien - zum Beispiel jene der Exxon Valdez 1989 in Alaska oder der Erika 1999 vor der bretonischen Küste - zeigen. Was freilich Unfälle mit großen Mengen an Öl in der Tiefsee anrichten können, ist weitgehend unbekannt. Das Ökosystem dort ist noch gar nicht richtig erforscht.

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SZ vom 30.04.2010/mcs
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