Öl-Unfall vor Australien:Leck in der Tiefsee

Die Zukunft der Ölförderung liegt im Meer. Doch der jüngste Unfall vor Australiens Küste offenbart die Risiken der Rohstoff-Ausbeutung unter dem Meeresboden.

Thomas Kirchner

Diesmal war es nur eine kleine Katastrophe. Zehn Wochen lang sprudelte Öl unkontrolliert aus einem Leck in einem Bohrloch vor der Küste Westaustraliens, 2600 Meter unter dem Meeresboden. 64.000 Liter waren es täglich, die ersten ölverschmierten Tiere wurden gefunden. Dann fing auch noch die Bohr-Plattform an der Wasseroberfläche Feuer, bevor es nun offenbar gelang, das Loch zu stopfen. Australiens Umweltschützer werfen der Regierung Versagen vor, sie habe viel zu lange zugesehen. Bisher sind Unfälle dieser Art selten. Aber das könnte sich ändern: Die Ölfördergebiete der Zukunft liegen im Meer, ihre Ausbeutung birgt Risiken.

Öl-Unfall vor Australien: Das riesige Feuer auf der Ölplattform vor der westaustralischen Küste ist mittlerweile gelöscht.

Das riesige Feuer auf der Ölplattform vor der westaustralischen Küste ist mittlerweile gelöscht.

(Foto: Foto: dpa)

Außer Kontrolle geratene Ölquellen abzudichten, ist schon an Land nicht leicht. Unter Wasser wird es enorm kompliziert. Mehr als 100 Menschen sind in Australien im Einsatz. Drei Mal hatten sie vergeblich versucht, sich von der Seite durch den Meeresboden an das Leck heranzugraben und es mit schwerem Schlamm zuzuschütten. Beim vierten Mal schafften sie es, dann aber brach kurz darauf das Feuer aus. Das sei nun fast gelöscht, erklärte die Betreiberfirma PTTEP Australasia am Dienstag.

Australiens Regierung hatte das Problem nach Ansicht von Kritikern stets kleingeredet. Das Öl werde sich "auf natürliche Weise verflüchtigen", hatte Rohstoffminister Martin Ferguson zunächst beschwichtigt. Inzwischen ist der größte Teil des Ölteppichs entfernt. Die Folgen für die Tierwelt sind laut einem ersten Regierungsbericht nicht so dramatisch, werden aber nun genauer untersucht. Die Timorsee ist ein wichtiges Durchzugsgebiet für Meerestiere, besonders gefährdet sind Delphine und Schildkröten.

Das Unglück fällt in eine Zeit der Euphorie in der Ölbranche, die in den vergangenen Monaten so viele und so ergiebige Vorkommen wie lange nicht entdeckt hat - die größten vor der Küste Brasiliens und Westafrikas, Tausende Meter tief. Auch wenn die Ausbeutung aufwendig und teuer ist, lohnt sie dank des dauerhaft hohen Ölpreises trotzdem.

Drohen neue Lecks?

Drohen also neue Lecks, mitten im Atlantik? Es gebe keinen direkten Zusammenhang zwischen der Tiefe der Förderung und dem Risiko von Unfällen, sagt der französische Journalist und Öl-Experte Francis Perrin. "Der technische Fortschritt hat auch die ultratiefen Projekte viel sicherer gemacht." Extrem wichtig sei aber eine gute Aufsicht.

Fast alle Tiefsee-Felder liegen in den 200-Meilen-Einflusszonen, verantwortlich für Lizenzen und Umweltauflagen ist der jeweilige Küstenstaat. Wenn die dortige Aufsichtsbehörde ihre Arbeit ernst nimmt, wenn es eine unabhängige Umweltagentur gibt, sind die Voraussetzungen für eine unfallfreie Förderung gut. Das Beispiel Nigeria zeigt, dass manche Staaten der Verantwortung nicht gewachsen sind. Jahrzehntelang konnte die Ölindustrie das Niger-Delta zerstören, ohne von den korrupten Behörden gestoppt zu werden. Die Öffentlichkeit müsse daher wachsam sein, meint Perrin.

An internationalen Regularien existiert nur das UN-Seerechtsübereinkommen, das auch den Schutz der Meeresumwelt fordert. "Da müsste sich aber erst einmal ein Geschädigter finden, der diesen Staat verklagt", sagt Doris König, Professorin für Seerecht an der Bucerius Law School in Hamburg. Und wer zahlt, wenn es doch zu einer Katastrophe kommt? Bei schweren Tankerunfällen springt ein Fonds ein, den die ölimportierenden Staaten gegründet haben. Für die Hochsee-Förderung existiert nichts Vergleichbares.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: