Süddeutsche Zeitung

Ökotourismus:Verlorene Instinkte

In Entwicklungsländern können Touristen wilde Tiere besuchen, die an Menschen gewöhnt wurden. Die Einnahmen sollen die Tiere schützen. Doch Forscher glauben, dass die Besucher den Tieren schaden.

Von Robert Gast

Wer in Uganda Schimpansen sehen will, muss entweder zahlen - oder viel Geduld haben. Im Kibale-Nationalpark haben Ranger wild lebende Tiere im Laufe vieler Jahre an Menschen gewöhnt. Die Affen laufen nicht weg, wenn sich Touristen nähern. Wer den Eintritt in den Park oder die Kosten für eine Tour nicht zahlen will, kann außerhalb des Nationalparks sein Glück versuchen. Dort haben die Schimpansen ihre Fluchtinstinkte noch nicht verloren; die Tiere verschwinden sofort ins Dickicht, wenn sich jemand nähert.

Die Gewöhnung von Wildtieren an den Menschen ist oft ein Bestandteil des Ökotourismus in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die so generierten Einnahmen helfen dabei, die Tiere in Nationalparks vor Wilderern zu schützen. Mitunter hält das Geld auch Bewohner umliegender Dörfer davon ab, Tiere zu schießen. Unklar ist allerdings, ob die Gewöhnung an den Menschen den Tieren anderweitig schadet. Auf diese Möglichkeit weist nun ein internationales Biologenteam um Daniel Blumstein von der Universität Kalifornien im Fachblatt Trends in Ecology & Evolution hin.

Einerseits halte der Besuch der Touristen Raubtiere zeitweise fern, schreiben die Forscher. Andererseits hielten die an Menschen gewöhnten Tiere weniger aufmerksam nach Feinden Ausschau. Sobald die Menschen verschwunden sind und die Raubtiere zurückkehren, seien sie deshalb bedroht. Zudem könnten Wilderer die Zutraulichkeit der Tiere ausnutzen. Es müsse noch untersucht werden, ob die an Menschen gewöhnten Tiere gegenüber Raubtieren kühner agieren, sich also eher selbst in Gefahr bringen.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2015
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