Ökologie:Sprit für das Superunkraut

Acker-Fuchsschwanzgras, Alopecurus myosuroides, auf einem Feld mit Gerste

Acker-Fuchsschwanzgras auf einem Feld mit Gerste: Das unerwünschte Gras wird in der konventionellen Landwirtschaft mit Pflanzengiften bekämpft.

(Foto: Oliver Macdonald/CC BY-SA 3.0)

Wenn Landwirte vorsorglich Herbizide spritzen, fördern sie damit die Entstehung multiresistenter Gewächse. Bald werden die Mittel ausgehen, die noch gegen Unkraut wirken. Doch es gibt Strategien, auf die Landwirte setzen können.

Von Kathrin Zinkant

Es ist eine einfache Rechnung, doch aufgehen kann sie nicht: Das beschlossene Ende des Unkrautvernichters Glyphosat wird viele Bauern nicht davon abhalten, in großem Maßstab Herbizide zu versprühen. Das hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Erträge und die Wirtschaftlichkeit der bäuerlichen Betriebe. Wie britische Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von Nature Ecology & Evolution berichten, züchten sich Bauern mit dem unbedachten Einsatz hochpotenter Wirkstoffe nämlich superresistente Unkräuter heran. Die Forscher belegen eindrücklich, dass Herbizide ähnliche Auswirkungen haben wie Antibiotika. Sie müssen daher sparsam, gezielt und gemeinsam mit nicht chemischen Methoden eingesetzt werden. Andernfalls entstehen Resistenzen, die kaum noch in den Griff zu bekommen sind. Das Ökologen-Team um Robert Freckleton von der University of Sheffield ist zu diesem wenig überraschenden, aber doch neuen Ergebnis gekommen, nachdem es die Verbreitung eines sogenannten Superunkrauts empirisch untersucht hat.

Wird der Einsatz der Gifte nicht an den Bedarf angepasst, kommt es schneller zu Resistenzen

Die Wissenschaftler betrachteten das sogenannte Acker-Fuchsschwanzgras. Die Pflanze ist in weiten Teilen Europas schon seit vielen Hundert Jahren verbreitet. Für Getreidebauern hat sie sich allerdings zu einem Fluch entwickelt, als Unkraut fühlt sich das Süßgras insbesondere auf Feldern mit Winterweizen wohl. Ernteverluste von 50 Prozent sind keine Seltenheit. Das unerwünschte Gras wird in der konventionellen Landwirtschaft deshalb vor allem mit Pflanzengiften bekämpft, und zwar beileibe nicht nur mit Glyphosat. Da fast alle diese Gifte in biochemische Prozesse der unerwünschten Pflanze eingreifen, um sie zu töten, können sich die Unkräuter allerdings auch durch Mutation und Selektion anpassen. Wie Bakterien, die zu Superkeimen mutieren, entwickeln sich Unkräuter dadurch zum Superunkraut. Besonders schnell passiert das, wenn die Wirkstoffe großzügig verwendet werden.

Freckleton und Kollegen haben in Großbritannien mehr als 130 Äcker von gut 70 Höfen untersucht, auf denen die auch in Deutschland zugelassenen Herbizide Cycloxydim, Metsulforon-Methyl und Fenoxaprop gegen das "blackgrass" eingesetzt wurden. Zehn-Jahres-Daten zum Einsatz dieser Ackergifte und direkte Resistenztests zeigten, dass aus dem Acker-Fuchsschwanzgras auf den stark gespritzten Feldern ein echtes Superunkraut erwachsen ist, das gegen alle genutzten Mittel Resistenzen aufweist. Den Forschern fiel dabei auf, dass einige Bauern den Einsatz der Gifte nicht an die tatsächliche Dichte des Unkrauts auf den Feldern anpassten, sondern grundsätzlich große Mengen Herbizide versprühten - und somit die Resistenzbildung unnötig beförderten.

"Es herrscht der Glaube, dass in der Zukunft immer neue Wirkstoffe erhältlich sein werden, sodass es keinen Grund dafür gibt, den Umgang mit diesen wertvollen chemischen Werkzeugen zu verändern", schreiben Freckleton und sein Team. Das entspreche jedoch nicht mehr den Tatsachen. Wie viele Experten raten die Autoren zu einer drastischen Einschränkung des Pestizideinsatzes generell und dazu, sich auch im konventionellen Anbau von einer allein auf Chemie gestützten Strategie zu verabschieden, um die Wirksamkeit der vorhandenen Mittel zu schützen. Zumal der allzu großzügige Gebrauch von Giften, das zeigt die aktuelle Studie, nicht einmal wirtschaftlich von Vorteil ist: Die trotz des Einsatzes hochpreisiger Herbizide auftretenden Ernteverluste aufgrund resistenter Superkräuter bedeuten mehr Verlust als Gewinn. Nicht nur für die Umwelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: