Süddeutsche Zeitung

Ökologie:Killer aus der alten Welt

Lesezeit: 4 min

Mit den europäischen Auswanderern kamen auch Katzen nach Australien. Heute gefährden sie die dort heimische Tierwelt.

Von Subel Bhandari

Süße Samtpfoten oder gefährliche Vierbeiner - unter australischen Artenschützern fällt das Urteil über Katzen derzeit ziemlich eindeutig aus. Von den zahlreichen Tieren wie Schweinen, Pferden, Hasen oder Füchsen, die europäische Siedler auf ihren Schiffen im 18. Jahrhundert nach Australien mitbrachten, waren es ausgerechnet Katzen, die den heimischen Arten den größten Schaden zufügten.

Sie trugen nach Angaben des Umweltministeriums dazu bei, dass 27 Säugetierarten bereits ausgestorben und weitere 124 Spezies mittlerweile bedroht sind. Nach Ankunft der ersten Siedler im Jahr 1788 gingen dem Kontinent 34 endemische Arten für immer verloren. Das sei die höchste Rate weltweit, sagt die Wildtier-Ökologin Sarah Legge von der Australian National University in der Hauptstadt Canberra.

Der Riesenkontinent Australien ist mit fast 7,7 Millionen Quadratkilometern mehr als zwanzigmal so groß wie Deutschland, kommt aber lediglich auf 25 Millionen Einwohner. Neben den verwilderten Katzen, deren Zahl auf zwei bis 6,3 Millionen geschätzt wird, gibt es etwa 3,9 Millionen Hauskatzen.

"Wilde Katzen sind die Gefahr Nummer eins - und sie sind überall."

Im Jahr 2015 zog die australische Regierung angesichts der dramatischen Ausmaße des Übels schließlich Konsequenzen. Man erklärte wilde Katzen zu einer Plage und stellte einen drastischen Plan auf. Bis 2020 sollen zwei Millionen wild lebender Katzen getötet werden. So sollen mehr als 100 bereits gefährlich dezimierte und nur in Australien vorkommende Tierarten vor dem Aussterben gerettet werden, darunter Vögel, Frösche, Grashüpfer, Schildkröten, Käfer und Krustentiere. Seither rücken den ungeliebten Vierbeinern in den Nationalparks Wildhüter mit Giftködern und Fallen zu Leibe, während Jäger oder Farmer auf ihrem eigenen Land zu Gewehren greifen.

"Wilde Katzen sind die Gefahr Nummer eins - und sie sind überall", sagt Andrew Cox, Mitglied der staatlich geleiteten Arbeitsgruppe National Feral Cats Taskforce, die die Maßnahmen gegen die wilden Katzen leitet. "Wenn man die Katzen nicht kontrolliert, wird man alle kleinen und mittelgroßen australischen Säugetiere verlieren."

Mehr als eine Million heimischer Vögel fallen pro Tag Katzen zum Opfer, wie Forscher im Jahr 2017 im Fachmagazin Biological Conservation berichteten. "Bei Reptilien ist die Zahl noch höher - rund 650 Millionen sterben pro Jahr durch Katzen", sagt Legge. Diese Zahlen basieren auf einer Studie, die das Fachjournal Wildlife Research im vergangenen Jahr veröffentlichte. Dafür hatten Forscher die Nahrung von 10 000 Katzen landesweit untersucht. Im Magen eines einzelnen Tieres fanden sie dabei eine Rekordzahl von 40 Eidechsen. Die Ökologin Legge schätzt die Zahl der von Haus- und wild lebenden Katzen getöteten Reptilien, Vögel und Säuger auf jährlich zwei Milliarden.

Dabei treten Katzen nicht nur als Raubtiere auf, die ihre Opfer fressen, wie Sarah Legge betont. Als Wirtstiere für Parasiten verbreiten sie auch zahlreiche Krankheiten wie etwa die Toxoplasmose. Und sie selbst haben nicht viele natürliche Feinde auf dem Kontinent - lediglich Dingos, Füchse und Keilschwanzadler töten gelegentlich Katzen.

Fossilfunde belegen, dass es in Australien und der ozeanischen Region keine Katzen gab, bis die ersten Siedler Ende des 18. Jahrhunderts dort ankamen. "Sie brauchten die nächsten 20 bis 30 Jahre, um im Raum Sydney Fuß zu fassen", erzählt Legge. Binnen der folgenden 100 Jahre seien sie dann bereits auf fast der ganzen Insel zu finden gewesen. Zu ihren Opfern gehören heimische Arten wie Kaninchen-Ratten oder Hüpfmäuse, die mittlerweile ausgestorben sind. Auch der Schweinsfuß-Nasenbeutler ging dem fünften Kontinent durch das Raubtier Katze für immer verloren.

In Deutschland stehen auf dem Speiseplan von Katzen am häufigsten kleine Säugetiere wie Mäuse. Dazu kommen Vögel, Amphibien und auch Reptilien, wie Lars Lachmann, Vogelschutzexperte vom Naturschutzbund Nabu, sagt. Er schätzt, dass Katzen in Deutschland pro Jahr rund 20 bis 100 Millionen Vögel töten.

Die amerikanische Naturschutzbehörde FWS hat für die Vereinigten Staaten eindrückliche Zahlen zusammengestellt: In den USA töten Katzen demnach pro Jahr rund 2,4 Milliarden Vögel. Das sind weit mehr Todesfälle als durch Fensterscheiben an Gebäuden (600 Millionen), Fahrzeuge (215 Millionen) und Windräder (234 000) verursacht werden.

Selbst Tierschützer haben nichts gegen das Töten einzuwenden

Seitdem die Jagd auf wilde Katzen eröffnet wurde, hat Australiens Regierung bisher nur eine Zwischenbilanz veröffentlicht. Danach wurden 2016, im ersten Jahr der Offensive, geschätzt 211 000 dieser Vierbeiner getötet. Aktuellere Zahlen gibt es bislang nicht. Ob die Aktion als Erfolg bewertet werden kann oder nicht, ist deshalb derzeit unklar.

Widerstand gegen die Aktion gibt es auch von Tierschützern kaum. Die Tierrechtsorganisation Peta sehe die Notwendigkeit, die Population der verwilderten Katzen zu kontrollieren, sagte Sprecherin Aleesha Naxakis. Die Methoden sollten allerdings sorgfältig gewählt werden. "Ob Katze oder Känguru - alle Tiere haben den gleichen Wunsch, ohne Schmerzen zu leben und zu sein. Wir schulden es ihnen, humane Lösungen zu finden, um ihre Zahl zu reduzieren." Vergiftungen etwa seien "grausam und oft uneffektiv." Als wirksame Lösung plädiert sie für Sterilisierungskampagnen. "Verwilderte Katzen kommen nicht einfach aus dem Nirgendwo - sie sind das direkte Ergebnis, wenn unverantwortliche Tierhalter nicht-sterilisierte Tiere aussetzen oder draußen herumstromern lassen."

Auch Naturschützer im Nachbarland Neuseeland kennen das Katzen-Problem. Dort werden die Miezen ebenfalls als Plage angesehen, weil sie einheimischen Vögeln wie Kiwis sowie seltenen Fledermäusen, Eidechsen und Insekten den Garaus machen. Der kleine Ort Omaui ganz im Süden der Südinsel hatte im August 2018 verkündet, alle Katzen zu registrieren, mit Mikrochips auszustatten und gegebenenfalls auch zu kastrieren. Wenn eine Katze stirbt, sollte es den Besitzern nicht mehr erlaubt werden, sich eine neue anzuschaffen. Doch der Aufschrei unter Katzenfreunden war groß und brachte das Vorhaben ins Wanken. Die Behörde will nun ihre Entscheidung überdenken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4598348
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.09.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.