Bienensterben:Kampf um ein Insektengift

Italian honey bees hover around the suit of beekeeper Robert Harvey as he transfers bee colonies from a blueberry field near Columbia Falls, Maine

Viele Pflanzen, die für die Ernährung der Menschen wichtig sind, werden von Insekten bestäubt. Die Zahl dieser Insekten hat stark abgenommen.

(Foto: REUTERS)

Sind moderne Pestizide schuld am Bienensterben? Die EU muss bald erneut über ein Verbot entscheiden. Aber manche Wissenschaftler befürchten, dass die Alternativen noch schädlicher sind.

Von Tina Baier

Es war ein jahrelanges Hickhack. Erst 2013 konnte sich die EU-Kommission schließlich dazu durchringen, jene Pflanzenschutzmittel zu verbieten, die in Verdacht stehen, für das Bienensterben in Europa und den USA verantwortlich zu sein.

In Deutschland dürfen viele dieser "Neonicotinoide" seither nicht mehr verkauft werden. Mehrere Produkte der Firma Bayer aus Leverkusen, die für den Privatgebrauch in Gärten und auf Balkonen entwickelt wurden, mussten vom Markt genommen werden. Ebenso das Mittel "Cruiser", der Schweizer Firma Syngenta, mit dem Bauern das Saatgut von Raps behandelt haben.

In einigen Monaten, im Dezember 2015, endet das Moratorium der EU. Bis dahin muss die Kommission entscheiden, ob die Neonicotinoide - kurz Neonics - wieder zugelassen werden, weiterhin verboten bleiben oder ob das Verbot vielleicht sogar noch ausgeweitet wird. 13 Forscher des EU-Wissenschaftsnetzwerks Easac, das Entscheidungsträger in der EU berät, haben jetzt eine Untersuchung veröffentlicht, in der die Neonics nicht besonders gut wegkommen. Der Bericht könnte dazu beitragen, dass die EU das Verbot aufrechterhält.

Pestizide könnten auch Hummeln schaden

"Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass der weitverbreitete prophylaktische Einsatz von Neonicotinoiden schwere negative Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen hat", schreiben die Wissenschaftler. Sie befürchten, dass die Pestizide Hummeln, Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlingen, die ebenfalls wichtig für die Bestäubung von Pflanzen sind, sogar mehr schaden als den Honigbienen. "Der Fokus auf die Honigbiene hat die Debatte um die Neonicotinoide verzerrt", heißt es in dem Bericht. Honigbienen könnten Verluste nämlich besser "abpuffern" als andere Insekten, etwa indem die Königin mehr Eier legt.

Außerdem sei "der präventive Einsatz von Neonicotinoiden unvereinbar mit dem Grundsatz der integrierten Schädlingsbekämpfung in der Europäischen Union", schreibt Peter Neumann, Leiter der Easac- Arbeitsgruppe und Bienenforscher an der Universität Bern, in der Fachzeitschrift Nature.

Bei der integrierten Schädlingsbekämpfung geht es darum, durch die Kombination verschiedener Methoden den Einsatz von Pestiziden auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen. Die Neonicotinoide werden in der Landwirtschaft aber oft auch dann eingesetzt, wenn weit und breit kein Schädling in Sicht ist.

Pestizide sind auch in Pollen und Nektar

Vor dem Verbot wurde auch in Deutschland das Saatgut von Raps "gebeizt": Neonicotinoide werden so auf die Körner aufgetragen, dass vom Keimen an die gesamte Pflanze mit dem Insektengift durchtränkt ist. Schädlinge, die sich an solche Pflanzen heranwagen, werden sofort von den Neonics ausgeschaltet, die das Nervensystem von Insekten angreifen.

Leider sind die Wirkstoffe solcher "systemischer" Pestizide auch in den Pollen und im Nektar der damit behandelten Pflanzen enthalten, was Bienen und anderen nützlichen Insekten schaden kann. "Wir haben die vorliegenden Erkenntnisse möglichst objektiv bewertet", sagt Elke Genersch, stellvertretende Direktorin des Länderinstituts für Bienenkunde bei Berlin und Mitglied der Easac-Arbeitsgruppe. Positive Auswirkungen des Verbots auf die Bienenvölker seien noch nicht zu beobachten, dafür sei der Zeitraum von knapp zwei Jahren zu kurz.

Der einzige Effekt, den das Verbot der Neonics gehabt habe, seien Verluste der Landwirte, heißt es beim Verband der europäischen Pflanzenschutzmittelhersteller (Ecpa), der den Bericht der Wissenschaftler als voreingenommen kritisiert.

Harte Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern

Das Umweltbundesamt verteidigt dagegen die Easac-Arbeit: "In dem Review hat eine hochkarätige Auswahl von Wissenschaftlern die aktuellsten Erkenntnisse zu den Risiken aufgearbeitet, die sich durch den Einsatz von Neonicotinoiden in der Landwirtschaft für Honigbienen und Wildbestäuber ergeben", heißt es dort.

Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der Neonicotinoide sind verhärtet. Die Agrarchemiekonzerne Syngenta und Bayer haben beide Klage gegen das Verbot ihrer Pestizide eingereicht. Für die Hersteller geht es um viel Geld: In den Jahren 2012 und 2013, also kurz vor dem Verbot, seien 529 Tonnen beziehungsweise 383 Tonnen "Pflanzenschutzmittel mit Neonicotinoiden und anderen Wirkstoffen mit systemischer Funktionsweise" in Deutschland abgesetzt worden, schreibt die Bundesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag.

Wissenschaftler beschuldigen sich gegenseitig

Auch unter Wissenschaftlern tobt mittlerweile ein erbitterter Streit darüber, ob Neonicotinoide der Grund für das Bienensterben in Europa und den USA sind oder nicht. Das Grundproblem ist, dass Experimente im Labor, in denen Bienen mit Neonics gefüttert werden, immer wieder zeigen, dass die Tiere geschädigt werden können. In Feldversuchen lassen sich diese Ergebnisse dann aber nicht bestätigen.

Erst kürzlich haben sich über dieser Frage zwei britische Wissenschaftler, die beide an der University of Sussex forschen, öffentlich heftig zerstritten.

Der Bienenforscher Norman Carreck beschuldigte seinen Kollegen Dave Goulson, Bienen im Labor absichtlich mit einer Überdosis des Neonicotinoids Imidacloprid gefüttert zu haben, um die schädliche Wirkung der Substanz nachzuweisen. Goulson hielt dagegen: Nektar und Pollen auf dem Feld enthielten oft sogar noch höhere Konzentrationen des Wirkstoffs, als er den Tieren gefüttert habe.

Goulson will, dass das Verbot der Neonicotinoide auch nach 2015 aufrechterhalten wird, Carreck ist dagegen. Er hält es für umweltschädlicher, wenn Bauern als Folge des Verbots auf andere Pestizide zurückgreifen.

Auch der Bericht der Easac-Wissenschaftler gibt keine endgültige Antwort auf die Frage, ob die Neonics am Sterben der Bienen schuld sind oder nicht. Die Wissenschaftler halten es aber für "erwiesen", dass diese Substanzen "schon in sehr geringen Konzentrationen" sogenannte subletale Effekte auf nützliche Insekten haben. Das heißt, sie schwächen die Tiere und machen sie anfälliger für andere negative Umwelteinflüsse.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: