Süddeutsche Zeitung

Ökologie:Gleichgewicht des Schreckens

Auf Bio-Äckern gedeihen Kartoffeln besser, weil dort mehr natürliche Feinde von Schädlingen wie dem Kartoffelkäfer leben. Es herrscht ein "Gleichgewicht des Schreckens", das durch den Einsatz von Pestiziden gestört wird.

Sebastian Herrmann

Auf einem Acker tobt eine tägliche Schlacht. Im Verborgenen treten die Feinde gegeneinander an - Insekten fallen über andere her, Keime und Pilze befallen Tiere oder Pflanzen und löschen einander aus.

Dazwischen rangeln Pflanzen um ihren Platz an der Sonne - und das gelingt zum Beispiel Kartoffeln auf biologisch bewirtschafteten Flächen wesentlich besser. Auf diesen Feldern herrsche ein Gleichgewicht des Schreckens unter den Arten, wodurch sich natürliche Feinde zum Schaden von Schädlingen und zum Wohle der vom Bauern angebauten Pflanzen in Schach halten, wie Entomologen um David Crowder von der Washington State University berichten (Nature, Bd. 466, 2010, S. 109).

Die Forscher bestellten mehrere Versuchsflächen mit Kartoffeln, auf denen zugleich Kartoffelkäfer ausgebracht wurden - ein Schädling, der weltweit Kartoffelernten stark reduziert. Zugleich bestimmten die Wissenschaftler die Zahl der Insekten, Würmer und anderer Organismen, die sich von Larven und ausgewachsenen Kartoffelkäfern ernähren.

Die Anzahl der verschiedenen Kartoffelkäfer-Feinde wurden schließlich so manipuliert, dass sie denen auf konventionell oder biologisch bewirtschafteten Flächen entsprachen. Dabei war nicht die reine Anzahl der verschiedenen Arten wichtig, sondern ob die Zahl der Individuen verschiedener Arten verhältnismäßig ausgeglichen war. Auf den Bio-Flächen, auf denen ein Gleichgewicht des Fressens herrschte, waren der Schädlingsbefall um 18 Prozent niedriger und die Biomasse der Kartoffelpflanzen um 35 Prozent größer.

Auf konventionell bewirtschafteten Feldern gerate das Verhältnis einzelner Arten, die sich als Fressfeinde auf dem Acker gegenüberstehen, durch den Einsatz von Pestiziden aus dem Lot, schreiben die Studienautoren. Und wenn dadurch nur wenige Arten dominieren, verschöben sich die Kraftverhältnisse in der Nahrungskette - davon profitieren am Ende oft Schädlinge.

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Quelle:
SZ vom 01.07.2010/cosa
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