Grönland:Feuer auf der Eisinsel

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Satellitenaufnahmen zeigen ein ungewöhnliches Schauspiel: Auf der größtenteils vergletscherten Insel Grönland brennt zurzeit stellenweise der aufgetaute Boden. In Zukunft könnte es häufiger zu solchen Bränden kommen. (Foto: Adam Voiland)

Im Westen Grönlands lodern die Torfböden. Das Ausmaß der Brände erstaunt selbst Forscher.

Von Hanno Charisius

Grönland - da denken die meisten Menschen vermutlich an eine weiße Eisinsel im Nordatlantik, die von einem drei Kilometer dicken Gletschergebirge überzogen wird - aber eher nicht an Feuer. Doch am Westrand der Insel brennt es zurzeit tatsächlich. Europäische und amerikanische Satelliten beobachten seit einigen Tagen die Brandherde, die sich etwa 150 Kilometer nordöstlich der Stadt Sisimiut ausbreiten. Die grönländischen Behörden warnen insbesondere Wanderer, Beerensammler und Touristen in der Region vor der starken Rauchentwicklung.

Das Bild von der riesigen Eiswüste im Ozean stimmt nur bedingt. Etwa ein Viertel der Landfläche Grönlands ist eisfrei, wenn auch der Boden vom Frost normalerweise metertief gefroren ist. In den Grünstreifen entlang der Küsten kommt es häufiger zu Bränden, als man annehmen würde. Nach einer Analyse älterer Satellitendaten kommt der Experte für Fernerkundung Stef Lhermitte von der Technischen Universität in Delft allerdings zu dem Schluss: "Dies ist der größte Brand, den wir je beobachtet haben." Über den Kurznachrichtendienst Twitter präsentierte er seine Einschätzung der Brandentwicklung auf der Eisinsel. Die Satellitenaufnahmen, die er dabei einbezog, reichen 15 Jahre zurück. Er fand in den Daten aus dem laufenden Jahr mehr Anzeichen für Brände als in den anderthalb Jahrzehnten zuvor. Auch andere Geo-Wissenschaftler bestätigten die Einschätzung: Brände in Grönland sind selten, aber nicht komplett ungewöhnlich.

Ein Blitzschlag kommt als Ursache infrage. Gewitter sind in diesem Teil der Welt aber extrem selten

Was genau derzeit brennt, ist noch unbekannt. Experten schließen aus der Brandentwicklung, dass es nicht vertrocknete Bodenvegetation ist, die Feuer gefangen hat, sondern Torf in ausgetrockneten Mooren. Was die Brände gestartet hat, ist bislang ebenfalls nicht geklärt. Ein Blitzeinschlag kommt als Ursache zwar infrage, Gewitter sind in diesem Teil der Welt allerdings sehr selten. Womöglich wurde der Brand auch durch einen unachtsamen Menschen entfacht. Die für die Eisinsel außergewöhnlich hohen Temperaturen von zwölf Grad Celsius Ende Juli könnten die Ausbreitung des Feuers begünstigt haben.

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In Zukunft könnte es auf der Eisinsel noch häufiger lodern. Durch die Erderwärmung schmelzen die grönländischen Gletscher derzeit in rasantem Tempo. Auch die Permafrostböden tauen auf, und der ausgetrocknete Torf ist hervorragendes Brennmaterial. Durch das Schmelzwasser, das von den Gletschern in den Atlantik abfließt, steigt der Meeresspiegel bereits um fast einen Millimeter pro Jahr an. Glaziologen befürchten, dass sich das Abtauen Grönlands durch verschiedene Effekte sogar noch weiter beschleunigen könnte. Würde der Eispanzer Grönlands komplett abtauen, stiege der Meeresspiegel weltweit um sieben Meter an.

Nicht weit entfernt vom Brandgeschehen liegt die kleine Stadt Kangerlussuaq, von wo aus im Sommer viele Wissenschaftler den Eisschild Grönlands erklimmen und erforschen. Es gibt unterschiedliche Schätzungen zu den Ausmaßen der Brandflächen, zwischen 1200 und 3000 Hektar liegen sie. Mark Parrington, der anhand von Daten des europäischen Copernicus-Programms das Brandgeschehen auf der Erde beobachtet, wurde von den Feuern auf Grönland überrascht: "Wir messen routinemäßig die weltweiten Emissionen durch Waldbrände, aber dass wir nun auch in Grönland messen müssen, habe ich so bald nicht erwartet."

Wenn der Wind den Ruß über die Gletscher weht, taut das Eis wahrscheinlich noch schneller

Klimaforscher fürchten Torfbrände, weil sie große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid freisetzen, das im toten Pflanzenmaterial gebunden ist und keinen Schaden anrichtet, bis es in Flammen aufgeht. Gemessen an den Waldbränden, die zurzeit in Italien, Frankreich, in den USA, aber auch in Kanada wüten, sind die Feuer in Grönland zwar winzig. Für grönländische Verhältnisse sind die Ausmaße jedoch riesig und könnten durchaus folgenreich sein für den Eisschild der Insel und damit auch den Rest der Welt. Wenn der Wind die Rauchfahne über das Eis weht und sich dort Ruß ablagert, wird sich das Abschmelzen wahrscheinlich noch weiter beschleunigen.

Ein Ende der Brände ist nicht abzusehen. Laut Wettervorhersage könnte es in den kommenden Tagen in der Region etwas Regen geben, vielleicht fällt genug, um die Feuer zu löschen.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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