Seit 1938 galt die Sandbienenart Andrena nigriceps in Hamburg als verschollen. Jetzt hat der Ökologe Christian Schmid-Egger sie gemeinsam mit Kollegen mitten auf dem Flughafen ausfindig gemacht.
SZ: Wie sind Sie darauf gekommen, ausgerechnet auf dem Flughafen zu suchen?
Christian Schmid-Egger: Flughäfen sind ökologisch generell interessant, weil es dort große Freiflächen gibt, auf denen sich so gut wie nie Menschen aufhalten. Tiere und Pflanzen sind dort ungestört. Der Flughafen hatte uns beauftragt, das Gelände ökologisch zu untersuchen; außerdem arbeiten wir mit der Deutschen Wildtier Stiftung zusammen, die daran arbeitet, alle Wildbienen in Hamburg zu erfassen.
Sie sind also an Landebahnen herumgelaufen und haben Bienen gefangen?
Ja, so ähnlich. Doch zuerst mussten wir mit unserer Ausrüstung durch eine Sicherheitsschleuse. Auf dem Gelände durften wir uns nur unter Aufsicht des Flughafenökologen bewegen, der unter anderem darauf geachtet hat, dass wir genug Abstand zu den Rollfeldern hielten.
Wie fängt man überhaupt Bienen?
Mit einem Kescher. Man sucht Stellen, an denen gerade viele Pflanzen blühen und sammelt die Bienen von den Blüten ab. Dann kommen sie in Plastikflaschen mit Essigäther. Spezielle Schutzkleidung braucht man dabei nicht, weil Wildbienen anders als Honigbienen kaum stechen können. Wenn man sie in die Hand nimmt, pickst es höchstens ein bisschen. Eine andere Methode ist es, Fallen aufzustellen: Wir haben gelb angemalte Blumenuntersetzer mit Wasser gefüllt. Die Bienen fliegen in die Schalen, weil sie annehmen, dass es Blüten sind und kommen aus dem Wasser nicht mehr heraus.
Die gerade entdeckte seltene Biene ist jetzt also tot?
Das geht leider nicht anders. In Deutschland leben 590 Bienenarten und die meisten kann man nur unter dem Mikroskop bestimmen. Dazu muss man sie präparieren. Es gibt aber vermutlich noch weitere Exemplare auf dem Flughafengelände. Und unser Ziel ist es, dem Flughafen Tipps zu geben, wie er sein Gelände noch wildbienenfreundlicher gestalten kann.
Als sie Andrena nigriceps das erste Mal gesehen haben - wussten Sie da sofort, dass sie etwas Besonderes ist?
Ja. Nachdem ich sie getrocknet hatte, war mir das sofort klar. Am auffälligsten ist der dichte braun-gelbe Pelz. Die Größe entspricht etwa der einer Honigbiene. Sandbienen der Gattung Andrena leben aber nicht in einem Stock, sondern legen ihre Nester in einer Höhle an, die sie in den sandigen Boden graben.
Haben Sie eine Idee, wie die Biene auf den Flughafen gekommen ist?
Möglicherweise war sie schon immer da, nur hat eben noch niemand nach ihr gesucht. Es kann aber auch sein, dass sie aus anderen Gegenden eingewandert ist. Einige wenige dieser Sandbienen gibt es zum Beispiel noch in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. In Hamburg haben wir sie bisher nur auf dem Flughafengelände entdeckt. Wir suchen aber weiter - und wenn sie sonst noch irgendwo in der Stadt ist, werden wir sie finden.