Ökologie:Die Ernte der Schleimpilze

Amöben als Bauern: Bestimmte Schleimpilze betreiben eine einfache Form der Landwirtschaft. Sie speichern und säen Bakterien. Das zahlt sich in schlechten Zeiten aus.

Katrin Blawat

Viele Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Schleimpilz gibt es nicht. Doch für ein gravierendes Problem, nämlich wie man auch in schlechten Zeiten für ausreichend Nahrung sorgt, haben beide die gleiche Lösung entwickelt: die Landwirtschaft.

Schleimpilz

Die Fruchtkörper der Schleimpilze bestehen aus einem langen Stiel und einer kugeligen Vorratskapsel. Manche Amöben speichern darin nahrhafte Bakterien, die sie später in einer neuen Umgebung aussäen.

(Foto: Scott Solomon)

Nicht immer alles gleich aufessen, was der Boden hergibt, sondern mit einem Teil der Ernte neue Felder anlegen - all das beherrschen auch Schleimpilze der Art Dictyostelium discoideum, wie Biologen der Rice University in Texas gezeigt haben (Nature, S.393, Bd.469, 2011).

Dictyostelium gehört zu den Amöben. Das sind etwa 20 Mikrometer kleine Einzeller, die ständig ihre Form ändern. Bei Nahrungsmangel schließen sich bis zu 100000 Amöben zu einem vielzelligen Organismus zusammen. Dabei entstehen offenbar zwei Typen: die Farmer und die Nicht-Farmer. Zwar ernähren sich beide von Bodenbakterien, doch während die Nicht-Farmer alle verfügbaren Mikroben fressen, verspeisen die Farmer nur einen Teil. Die restlichen Bakterien bewahren sie in ihrem Fruchtkörper auf. Dieser dient eigentlich als Reservoir für die Sporen, aus denen neue Amöben entstehen.

Die Vorratshaltung der Farmer-Amöben ist vor allem dann nützlich, wenn sie auf ihrer Nahrungssuche in ein Gebiet gelangen, in dem es wenige essbare Bakterien gibt. Dann beginnen die Schleimpilze mit der Aussaat: Die mitgebrachten Bakterien vermehren sich in der neuen Umgebung und bieten den Farmern eine ausreichende Nahrungsgrundlage.

Dieses Vorgehen sei mit einer primitiven Form der Landwirtschaft vergleichbar, schreiben die Biologen um Debra Brock. Primitiv deshalb, weil die Schleimpilze sich nicht weiter um ihre Aussaat kümmern, also nichts dafür tun, damit die Ernte besonders hochwertig und reichhaltig ausfällt. Von manchen Insekten, Schnecken und Fischen kennt man eine derartige Fürsorge hingegen.

Die südamerikanischen Blattschneiderameisen zum Beispiel verwenden 29 verschiedene Arbeitsschritte darauf, Pilzkulturen anzulegen und zu pflegen. Auch eine nordamerikanische Strandschnecke legt Pilzgärten an und düngt diese sogar. Manche Riffbarsche bewirtschaften wiederum Algenbeete, aus denen sie regelmäßig das Unkraut entfernen.

Von den untersuchten Schleimpilzen betätigte sich nur gut ein Drittel als Farmer. Ob die Landwirtschaft wirklich einen Vorteil brachte, hing von der Umgebung ab. Enthielt der Boden von vornherein genügend essbare Bakterien, hatten es die Nicht-Farmer besser. Sie fraßen so viel wie möglich und konnten dadurch zahlreiche Nachkommen produzieren; der Futternachschub blieb dennoch gewährleistet.

Die Farmer hingegen verhielten sich auf eine Weise, die man beim Menschen als nachhaltig bezeichnen würde: Sie sparten einen Teil des Futters für schlechte Zeiten auf. Wenn die jedoch nie eintraten, bezahlten die Amöben-Landwirte ihre Zurückhaltung mit einer geringeren Zahl an Nachkommen. Sich zu sehr um die Zukunft zu sorgen, kann also auch für Schleimpilze Nachteile haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: