Nichts ist leichter, als seine Ernährung zu einer komplizierten mathematischen Angelegenheit zu machen. Das gilt nicht nur für jene Menschen, die penibel ausrechnen, wie viel Gramm Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett auf dem Teller landen dürfen. Sondern auch für diejenigen, die wissen: Was immer man auch isst, man schadet damit auf irgendeine Weise der Umwelt. Jedes gekaufte Nahrungsmittel muss schließlich produziert oder wenigstens angebaut und geerntet werden, außerdem oft noch verpackt, gelagert und in den Laden gebracht. Das alles kostet Ressourcen wie Wasser, Energie und Ackerfläche. Wer sich umweltfreundlich ernähren will, achtet darauf, den Verbrauch dieser begrenzten Güter möglichst gering zu halten. Und damit fängt sie an, die höhere Mathematik der Ernährung.
Denn woran bemisst sich die Umweltverträglichkeit einer Mahlzeit? Ist die benötigte Energiemenge wichtiger als die Menge an Treibhausgasen, die durch die Produktion einer Packung Spaghetti entstehen? Oder sollte es vor allem um das Ackerland gehen, das zum Anbau von Mais und Soja benötigt wird, damit das Rind genug Futter hat, um später zum Steak zu werden?
Stopp. Keiner dieser Faktoren sagt alleine etwas über die Umweltfreundlichkeit eines Lebensmittels aus. Vielmehr braucht es dazu einen - Achtung, jetzt kommt ein reichlich abgedroschener Begriff - ganzheitlichen Ansatz. Doch ganzheitlich bedeutet in diesem Fall: alle Vorgänge, Emissionen und Ressourcen zu erfassen, die relevant für die Umwelt sind. Manchmal spielt dabei der Transport des Produkts die größte Rolle, manchmal seine Herstellung oder die Zubereitung beim Verbraucher. Das alles einbeziehen sollen die sogenannten Ökobilanzen oder, in der Sprache der Wissenschaftler, eine Lebenszyklusanalyse (life cycle assessment, LCA).
Den Startpunkt für diese Berechnungen stellt der Moment dar, in dem die benötigten Rohstoffe entnommen werden. "Für Gemüse kann das zum Beispiel die Gewinnung von Phosphat sein, das für Dünger benötigt wird", sagt Niels Jungbluth. Er ist Geschäftsführer der Schweizer Firma Esu-Services, die für Unternehmen Ökobilanzen unter anderem zu Nahrungsmitteln erstellt. Den Endpunkt einer Ökobilanz-Berechnung bilden Schadstoffe, die in die Luft gelangen oder durch Verbrennung der Abfälle entstehen, oder das, was letztendlich auf der Deponie landet. "Bei einzelnen Produkten wie einem Apfel kann man die Bilanz auch nur bis zum Laden rechnen, der das Obst verkauft, um verschiedene Varianten miteinander zu vergleichen", sagt Jungbluth.
So fließen Hunderte oder gar Tausende einzelne Faktoren in eine sorgfältige Ökobilanz ein. Sie werden gegeneinander abgewogen, miteinander verrechnet und ihre Wechselwirkungen berücksichtigt. Doch selbst dabei gilt noch: "Man muss Vereinfachungen machen", sagt der Umweltingenieur Stephan Pfister von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Das Ergebnis ist eine lange Reihe von Werten, die viele Verbraucher erst einmal verwirren dürften: Angaben zur Feinstaub-Emission zum Beispiel und dem Ausstoß toxischer Substanzen und natürlich dem der Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas.