Süddeutsche Zeitung

Nuklearwaffen:Wie eine Wasserstoffbombe funktioniert

Lesezeit: 3 min

Es ist unklar, ob Kim Jong-un tatsächlich eine H-Bombe getestet hat. Fest steht, dass so eine Bombe immens gefährlich ist.

Von Lea Kramer

Kim Jong-un mag Bomben. Er lässt sich gerne mit ihnen ablichten. Er nutzt sie oft als Drohung. Und er zündet auch gerne welche. Ganz besonders mag er Sprengkörper, die große Aufmerksamkeit erregen, deshalb treibt er Nordkoreas Rüstungsprogramm voran. Denn vor allem, wenn das Wort Atom im Zusammenhang mit Bombe fällt, muss sich Kim aus Korea nicht mehr ganz so isoliert vom Westen fühlen. Deshalb ist die Nachricht vom mutmaßlich geglückten Test einer Wasserstoffbombe propagandamäßig groß begleitet worden - auch, wenn streitbar ist, ob es eine derartige Bombe überhaupt gab.

Dass ein Erdbeben in Nordkorea stattgefunden hat, das von einem nuklearen Sprengkörper ausgelöst worden sein könnte, gilt als wahrscheinlich. Ob das Land inzwischen funktionsfähige sogenannte H-Bomben bauen kann, ist fraglich. Anfang 2016 hat Pjöngjang schon einmal verkündet, einen erfolgreichen Wasserstoffbombentest durchgeführt zu haben. Experten zogen aber aufgrund der geringen Erschütterungen, die damals gemessen wurden, den Erfolg des Tests in Zweifel. Wie so oft, konnten die Angaben der Regierung nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.

Wie funktioniert eine Wasserstoffbombe?

Anders als einfache atomare Sprengsätze beziehen sie den Großteil ihrer Zerstörungskraft nicht aus der Spaltung von Uran- oder Plutoniumkernen, sondern aus der Verschmelzung (Fusion) von Kernen des Elements Wasserstoff. Deshalb werden sie euphemistisch auch oft als "saubere Atombomben" bezeichnet, denn im Vergleich mit einer Kernspaltungsbombe mit gleicher Sprengwirkung wird viel weniger und kurzlebigere Radioaktivität bei der Detonation erzeugt. Während der Kernfusion, die auch die Sonne antreibt, werden gigantische Energiemengen frei.

Um die für eine Kernfusion nötigen extremen Temperaturen und Druckverhältnisse zu erzeugen, ist eine Nuklearexplosion nötig. Wasserstoffbomben sind daher mindestens zweistufig aufgebaut, wobei ein Atom-Sprengsatz als eine Art "Zünder" für den Fusionsvorgang dient. Bei diesem werden in der Bombe mitgeführte Kerne der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium derartig stark verdichtet, dass sie verschmelzen. Dabei entstehen Helium-Atome. Zur Zündung des Gemisches sind mehr als 100 Millionen Grad erforderlich. Deshalb enthält eine H-Bombe als Zünder eine Atombombe.

Mit Wasserstoffbomben lassen sich weit stärkere atomare Explosionen erzeugen als mit einstufigen Atombomben, die konstruktionsbedingten Beschränkungen unterliegen.

Bislang galt es als höchst zweifelhaft, dass die komplexe und kostenintensive Entwicklung von Fusionsbomben im kommunistischen Nordkorea überhaupt erfolgreich wäre. Zumindest das technologische Wissen dürfte vorhanden sein, scheitern könnte das Vorhaben an den industriellen Anlagen und dem Personal. Das Land wird hart sanktioniert und ist wirtschaftlich quasi komplett vom Rest der Welt isoliert. Selbst andere Staaten, die erst nach dem Kalten Krieg zur Atommacht aufgestiegen sind, verfügen vermutlich nicht über diese Waffenkategorie. Auch wenn sie es, wie etwa im Fall von Indien, bekräftigen. Gewissheit könnte eine Analyse der Stoffe in der Luft über dem Testgebiet bringen. Das japanische Verteidigungsministerium teilte mit, mindestens drei Militärjets seien aufgebrochen, um nach Radioaktivität zu suchen.

Die Geschichte der H-Bombe

Die erste "echte" Wasserstoffbombe der Welt wurde von den USA am 1. November 1952 unter dem Decknamen Operation Ivy Mike im Pazifik getestet. Sie stand unter dem Eindruck der ersten sowjetischen Kernwaffentests RDS-1 in den Jahren 1949 und 1951. Ihre Sprengkraft war etwa 800 Mal so groß wie die der ersten Atombombe.

Diese sowjetischen und amerikanischen Wasserstoffbomben waren Prototypen, militärisch nutzbare Bomben hatten USA und Sowjetunion erst später. 1961 zündete die Sowjetunion mit der Zar-Bombe auf der Nordpolarmeer-Insel Nowaja Semlja die stärkste jemals gezündete Wasserstoffbombe mit der größten jemals vom Menschen verursachten Explosion. Sie verfügte über zwei Fusionssprengsätze und eine Sprengkraft von 50 bis 60 Megatonnen TNT-Äquivalent. Kim Jong-uns Bombe, Wasserstoffbombe oder nicht, soll den südkoreanischen Behörden zufolge eine Sprengkraft von 50 bis 60 Kilotonnen gehabt haben. Trumps größte nicht-nukleare Mother of all Bombs (Moab) hat im Vergleich dazu nur 11 Tonnen Sprengkraft, die Atombombe über Hiroshima hatte eine Kraft von 13-Kilotonnen.

Grundsätzlich ist vor allem wichtig, wie groß die vermeintliche Wasserstoffbombe ist. Schließlich sollen Interkontinentalraketen mit ihr bestückt werden. Dass nordkoreanische Raketen etwa die USA erreichen könnten, scheint möglich. Dass sie beim Wiedereintritt in die Atmosphäre allerdings auch noch funktionstüchtige Atomsprengköpfe tragen könnten, bezweifeln Forscher. Bei einer Nutzlast von einer Tonne sinkt die Reichweite des von Nordkorea verwendeten Raketentyps KN-20 von 10 000 auf etwa 5000 Kilometer, haben der emeritierter Professor für Raketentechnik an der Technischen Universität München, Robert Schmucker, und der Raumfahrtingenieur John Schilling unlängst errechnet.

Nicht nur die Reichweite ist ein Problem, auch die Vereinigung von Sprengkopf und Rakete sei schwierig, sagt Iwan Moissejew, Direktor des Instituts für Weltraumpolitik in Moskau. Er geht davon aus, dass Nordkorea noch gut fünf Jahre braucht, bis das Land eine einsatzfähige Atombombe vorweisen kann. "Sie haben Atomsprengköpfe und Raketen, die sie auf der Basis von sowjetischen Scud-Raketen entwickelt haben, die sie in den 1960er und 1970er Jahren erhalten haben". Nordkoreanische Ingenieure hätten die Technik zwar weiterentwickelt. "Aber Sprengköpfe und Raketen zu vereinen ist keine einfache Aufgabe."

Mit Material der Agenturen AFP/dpa.

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