Immunforscher Ralph Steinman:Toter Wissenschaftler behält Nobelpreis

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Für die Nobelstiftung war es eine peinliche Panne: Sie verlieh dem kanadischen Immunforscher Steinman die höchste Auszeichnung für Medizin - ohne zu wissen, dass dieser bereits drei Tage zuvor verstorben war. Eigentlich ist es nicht möglich, den Nobelpreis posthum zu vergeben. Doch nun findet die Jury eine Begründung, mit der sie gegen die eigenen Statuten verstoßen kann.

Der kanadische Immunforscher Ralph Steinman bekommt posthum den Medizin-Nobelpreis. Das entschied die Nobelstiftung am Montagabend nach Prüfung der Regeln, die eigentlich einen toten Nobelpreisträger nicht vorsehen. Steinman wurde am Vormittag zusammen mit dem Franzosen Jules A. Hoffmann und dem US-Amerikaner Bruce A. Beutler als Medizin-Nobelpreisträger 2011 benannt. Erst danach wurde bekannt, dass der 68-Jährige am 30. September an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben ist.

Wie die Nobelstiftung am Montagabend in Stockholm mitteilte, wird die Entscheidung nicht revidiert, obwohl sie gegen die Statuten verstößt. Die schwedischen Juroren wussten nichts von Steinmans Tod am vergangenen Freitag, als sie ihm den Nobelpreis zuerkannten. In der Erklärung der Stiftung hieß es, das Verbot der posthumen Auszeichnung beziehe sich nur auf eine bewusst in diesem Sinne getroffene Wahl. Die Juroren hätten die Entscheidung am Freitag um 14.30 Uhr getroffen, ohne von Steinmans Tod um 11.30 etwas zu wissen. "Die Nobelpreis-Entscheidung für Ralph Steinman erfolgte nach bestem Wissen auf der Annahme, dass er lebt."

Normalerweise geht der Nobelpreis nur an lebende Personen. Eine posthume Ehrung ist in den Statuten ausgeschlossen. Prominentestes Beispiel ist der indische Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi. Er hätte möglicherweise 1948 den Preis erhalten können. Allerdings wurde er kurz zuvor ermordet. 1974 wurden die Statuten so geändert, dass eine Person lediglich dann posthum geehrt werden kann, wenn sie nach der Bekanntgabe im Oktober gestorben ist.

Unter Paragraf 4 ist in den Statuten zu lesen: "Die Arbeit einer Person, die bereits gestorben ist, soll nicht für eine Auszeichnung berücksichtigt werden. Wenn der Preisträger vor der Übergabe [am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel] gestorben ist, darf der Preis übergeben werden (etwa an die Nachkommen)."

Nach Angaben der Rockefeller-Universität in New York, an der Steinman forschte, litt der Forscher schon seit vier Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er habe mit einer selbstentwickelten Immuntherapie auf Basis der von ihm entdeckten dendritischen Zellen sein Leben noch verlängern können.

Der Präsident der Rockefeller Universität, Marc Tessier-Lavigne, sagte zur Ehrung für Steinman: "Die Nachricht ist bittersüß, da wir diesen Morgen von Ralphs Familie erfahren haben, dass er vor wenigen Tagen nach einem langen Kampf gegen den Krebs gestorben ist. Unsere Gedanken sind bei Ralphs Ehefrau, Kindern und Familie." Seine Tochter Alexis Steinman sagte: "Wir sind alle so berührt, dass die vieljährige harte Arbeit meines Vaters für den Nobelpreis ausgewählt wurde."

Der Immunologe Steinman, der 1943 in Montréal geboren wurde, hatte bereits 1973 die dendritischen Zellen entdeckt. Sie präsentieren den T-Immunzellen Bruchstücke der Eindringlinge, so dass sie die Keime erkennen und spezifisch bekämpfen können. Danach behält das Immunsystem die Bruchstücke im Gedächtnis, so dass es beim nächsten Angriff schneller reagieren kann - auf diese Weise erwirbt sich der Körper im Laufe des Lebens ein Immunsystem mit spezifischen Waffen.

Die Preisträger des Nobelpreises für Physik werden am 4. Oktober um 11.45 Uhr hier verkündet. Der Live Webcast aus Stockholm ist hier zu sehen.

Podcasts deutsche Nobelpreisträger können Sie sich auf den Seiten der Max-Planck-Gesellschaft anhören.

© sueddeutsche.de/dapd/dpa/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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