Nobelpreise 2008:Korruptionsvorwürfe gegen Nobel-Stiftung

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Die Nobel-Stiftung ist in die Kritik geraten: Ein Aufsichtsratsmitglied eines Pharmakonzerns sitzt im Vergabekomitee 2008 für die Kategorie Medizin.

Christina Berndt

Es war wie jedes Jahr ein glanzvoller Abend in Stockholm. Formvollendet wurden die Nobelpreise am 10. Dezember übergeben. Der König lud zum Bankett, die Herren trugen Frack. Sichtlich bewegt nahm auch Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg die ehrenvollste Auszeichnung an, die es für Wissenschaftler gibt.

Der diesjährige Medizinnobelpreis ging zur Hälfte an Harald zur Hausen. Der Virologe hatte entdeckt, dass manche Papillomviren (HPV) Gebärmutterhalskrebs verursachen können. (Foto: Foto: Reuters)

Doch der Glanz der Nobelpreise hat Kratzer bekommen. "Ich will das Fest ja nicht stören", sagt der schwedische Oberstaatsanwalt Christer van der Kwast. Aber seine Spezialeinheit zur Korruptionsbekämpfung erwäge derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung. Pünktlich zum Festakt hatte das öffentlich-rechtliche Sveriges Radio Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Nobelpreisvergabe bekanntgemacht.

Astra Zeneca hält Patente an den Impfstoffen

Der Kern der Vorwürfe: Bei Nobel fühlt man sich in der Nähe des Pharmariesen Astra Zeneca allzu wohl. Seit einem halben Jahr ist der Konzern Hauptsponsor zweier Unternehmen der Nobel-Stiftung, der Firmen Nobel Media und Nobel Web, die die Medienrechte vermarkten. Darüber hinaus gehörte Bo Angelin, ein Aufsichtsratsmitglied von Astra Zeneca, dem Komitee für den Medizinnobelpreis 2008 an - einer Gruppe von 16, die auswählt, wer den Preis bekommt. Und der Vorsitzende dieses Komitees, Bertil Fredholm, hat bis 2006 als Ratgeber für Astra Zeneca gearbeitet.

Im Oktober schlug das das Komitee nun vor, den diesjährigen Medizinnobelpreis zur Hälfte an Harald zur Hausen zu geben. Der Virologe hatte entdeckt, dass manche Papillomviren (HPV) Gebärmutterhalskrebs verursachen können. Aus dieser Forschung sind zwei Impfstoffe entstanden, die 2007 zu den umsatzstärksten Arzneien gehörten. Auch Astra Zeneca hält Patente an diesen Impfstoffen. Und auch wenn der Konzern seine Einnahmen daraus nicht beziffern will: Die Ehrung dürfte der Impfung zusätzliche Aufmerksamkeit beschert haben.

"Frei von äußerem Druck"

Astra Zeneca habe auf die Nominierungen keinen Einfluss gehabt, betonte der Direktor der Nobel-Stiftung, Michael Sohlman. Schließlich habe nicht einmal die Stiftung Einfluss; nur das Komitee entscheide. Bei dessen Abstimmung aber enthielt sich Astra-Zeneca-Mann Bo Angelin keineswegs: Er habe über seinen Interessenkonflikt gar nicht nachgedacht, sagte er. Kritische Stimmen gibt es dennoch: Die meisten seiner Kollegen betrachteten den Nobelpreis wohl als "eigenständig" und "frei von äußerem Druck", sagt Anders Barany vom Physik-Komitee. Aber sie lebten "in einer Welt, die es vor zehn Jahren gab", bevor Sponsoren stark an Einfluss gewannen.

Das Verhältnis der Nobel-Stiftung zu ihren Geldgebern wird jedenfalls nicht einfacher werden. Die Stiftung plagen offenbar auch finanzielle Sorgen: Statt das Stiftungsvermögen in "sichere Wertpapiere" anzulegen, wie es Alfred Nobel einst verfügte, wurde auch in riskante Hedgefonds investiert. Presseberichten zufolge kann Harald zur Hausen froh sein, dass er sein Preisgeld noch mit nach Hause nehmen kann: Schon vom kommenden Jahr an stehe das bisherige Preisgeld von einer Million Euro pro Disziplin in Frage.

© SZ vom 12.12.2008/reb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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