Nobelpreis für Chemie:Eine grün leuchtende Revolution

Der Japaner Osamu Shimomura und die Amerikaner Martin Chalfie und Roger Y. Tsien haben eines der wichtigsten Werkzeuge der Biowissenschaften entdeckt und weiterentwickelt - das grün fluoreszierende Protein GFP.

Die Königlich-Schwedische Wissenschaftsakademie in Stockholm hat die diesjährigen Gewinner des Chemie-Nobelpreises bekanntgegeben.

Nobelpreis für Chemie: Osamu Shimomura vom Marine Biological Laboratory (MBL) in Woods Hole, Massachusetts, USA.

Osamu Shimomura vom Marine Biological Laboratory (MBL) in Woods Hole, Massachusetts, USA.

(Foto: Foto: AFP)

Den Preis geht zu gleichen Teilen an den Japaner Osamu Shimomura vom Marine Biological Laboratory (MBL) in Woods Hole, USA, sowie die Amerikaner Martin Chalfie von der Columbia University in New York und Roger Y. Tsien von der University of California in San Diego.

Die Wissenschaftler werden ausgezeichnet "für die Entdeckung und Weiterentwicklung des grün fluoreszierenden Proteins, GFP".

Erstmals entdeckt wurde das hellgrün leuchtende Protein GFP 1962 in der Qualle Aequorea victoria. Seitdem gehört es zu den wichtigsten Werkzeugen der Biowissenschaften. Mit Hilfe von GFP, so erklärte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften, hätten Forscher Wege entwickeln können, um zuvor unsichtbare Prozesse zu beobachten - etwa die Entwicklung von Nervenzellen im Gehirn oder die Ausbreitung von Krebszellen.

Als Shimomura begann, die Biolumineszenz der Pazifik-Qualle Aequorea victoria zu erforschen, hatte er noch keine Ahnung, dass seine Arbeiten zu einer wissenschaftlichen Revolution führen würden, berichtet die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften. 1962 veröffentlichte er zusammen mit Frank Johnson von der University of Princeton in New Jersey, USA, einen Artikel, in dem die Forscher das Protein GFP beschrieben.

Wozu das Tier leuchtet, ist unklar: Ob diese und andere Leuchtquallen mit ihrem Blinken Beute anlocken oder im Gegensatz Feinde abschrecken wollen, konnten Forscher noch nicht klären. GFP ist ein kleines, zylinderförmiges Eiweißmolekül aus 238 Bausteinen - sogenannten Aminosäuren - mit einer Licht emittierenden Gruppe in der Mitte. Das Protein fluoresziert bei Bestrahlung mit blauem oder ultraviolettem Licht grün.

1988 hörte Martin Chalfie von dem Protein und nutzte es, um die Prozesse in den Zellen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans zu untersuchen. Es gelang ihm, das GFP-Gen mit Genen zu verbinden, die andere Proteine bilden, so dass er anhand des Leuchtens beobachten konnte, wann ein Organismus diese Eiweiße produziert.

1994 veröffentlichten Chalfie und seine Mitarbeiter die Ergebnisse ihrer erfolgreichen Versuche, sechs sensorische Neuronen des Wurms leuchten zu lassen. Demnach war es tatsächlich möglich, mit einem Lichtmikroskop die Aktivität eines Zielproteins in lebenden Zellen live zu beobachten.

"In allen Farben des Regenbogens"

Tsien gelang es schließlich, GFP-Proteine zu produzieren, die in unterschiedlichen Farben leuchteten, so dass es "46 Jahre nach Shimomuras erstem Artikel über das grün fluoreszierende Protein ein Kaleidoskop von GFP-ähnlichen Proteinen gibt, die in allen Farben des Regenbogens scheinen", erklärt die Akademie der Wissenschaften in Stockholm.

Die Verwendung fluoreszierender Proteine ist inzwischen eine beliebte Standardmethode der Biotechnologie geworden, mit der verschiedene biologische Prozesse in den Lebewesen sogar gleichzeitig verfolgt werden können. Selbst komplett leuchtende Organismen wie Mäuse, Kaninchen und Fische wurden bereits geschaffen.

"Die Technik ist von unschätzbarem Wert für die Biologie und Medizin - vor allem für die Grundlagenforschung", betont auch der Zellbiologe Manfred Schliwa von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er hatte drei Jahre mit Tsien zusammengearbeitet. "Es gibt tausende von Molekülen, die mit Hilfe des Proteins markiert worden sind." Zuvor seien Forscher nur in der Lage gewesen, Substanzen in toten Zellen zu markieren, doch nun sei zu sehen, wie sich ein Molekül in der lebenden Zelle bewegt.

Das hat natürlich große Auswirkungen auf die medizinische Forschung: So haben Heidelberger Forscher Aidsviren mit dem Protein markiert, ohne die Eigenschaften der Erreger zu verändern. Sie beobachteten etwa, wie die Viren in die Zellen eintraten.

"Es lassen sich aber nicht nur einzelne Zellen beobachten, sondern komplette lebende Organismen - grün fluoreszierende Mäuse zum Beispiel", ergänzt Roland Eils vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Dies sei zum Beispiel wichtig dafür, Tumore über Wochen und Monate hinweg direkt im lebenden Organismus zu untersuchen.

"Früher musste jeweils ein Tier getötet werden, um einen Tumor in einem bestimmten Wachstumsstadium anzusehen", erläutert Eils. Nun sei es möglich, den Tumor einer narkotisierten Maus live mit dem Mikroskop zu beobachten - und das immer wieder über mehrere Tage hinweg. Auf diese Weise lasse sich das Tumorwachstum nicht nur live beobachten, sondern man könne auch direkt sehen, ob eine Therapie anschlage. "Das Verständnis des Tumorwachstums wurde unglaublich vereinfacht."

Gestern hatte die Wissenschaftsakademie verkündet, dass der Physik-Nobelpreis zur Hälfte an den Amerikaner Yoichiro Nambu vom Enrico Fermi Institute der University of Chicago "für die Entdeckung des Mechanismus der spontanen Symmetriebrechung in subatomarer Physik" geht.

Die andere Hälfte erhalten die Japaner Makoto Kobayashi von der High Energy Accelerator Research Organization (KEK) in Tsukuba und Toshihide Maskawa vom Yukawa Institute for Theoretical Physics (YITP) der Kyoto University "für die Entdeckung der Ursprünge der gebrochenen Symmetrie, die die Existenz von mindestens drei Familien von Quarks in der Natur vorhersagt".

Damit werden drei Wissenschaftler für fundamentale Erkenntnisse in der Teilchenphysik ausgezeichnet, die das Verständnis der Natur entscheidend verbessert haben.

Am Montag hatte das schwedische Karolinska-Institut verkündet, dass der Medizin-Nobelpreis an den Deutschen Harald zur Hausen sowie an die Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier geht.

Der 72-jährige zur Hausen wird ausgezeichnet für die Entdeckung, dass die sogenannten Papillomviren Gebärmutterhalskrebs auslösen. Das Nobelpreis-Komitee hatte erklärt, zur Hausen sei dabei "gegen ein verbreitetes Dogma angegangen". Seine Entdeckung habe die Beschreibung des Infektions- und Krankheitsverlaufs möglich gemacht sowie die Entwicklung von Impfstoffen.

Die französischen Aids-Forscher Barré-Sinoussi und Montagnier erhalten den Nobelpreis für ihre Rolle bei der Entdeckung von HIV. Auf sie gehen die Grundlagen für das heutige Wissen über Aids und seine Behandlungsformen zurück.

Zwar war auch der US-Forscher Robert Gallo ein Aids-Forscher der ersten Stunde und hatte sich als Entdecker des HI-Virus feiern lassen. Das Nobelkomitee aber hat ihn ignoriert.

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