Süddeutsche Zeitung

Neues Material:Forscher entwickeln Solarzellen, die auch bei Regen Energie ernten

  • Das Allwetter-Modul soll bei Sonne und Regen auf unterschiedliche Weise funktionieren.
  • Ein "triboelektrischer Nanogenerator" lädt sich durch Wassertropfen elektrisch auf.
  • Noch bringen klassische Siliziumsolarzellen allerdings mehr Leistung - sogar bei schlechtem Wetter.

Von Andrea Hoferichter

Im chinesischen Suzhou scheint die Sonne so stark wie in Nordafrika, doch im Jahresmittel regnet es an fast jedem zweiten Tag. Forscher der Soochow University in Suzhou arbeiten deshalb daran, einen Energiewandler für jede Wetterlage zu entwickeln. Dazu haben sie eine Solarzelle mit einem triboelektrischen Nanogenerator (TENG) kombiniert, der sich durch Regentropfen elektrisch auflädt, wie sie im Fachblatt ACS Nano berichten. Es wäre so etwas wie das All-Wetter-Solarmodul: Sonnenstrom mit Regenersatz.

"Unser System ist kompakt und einfach herzustellen", sagt Co-Autor Zhen Wen. Die Forscher erhitzen dazu eine Art Sandwich aus Siliziumkristall, einer transparenten Zwischenlage aus einem leitfähigem Kunststoff und einer Schicht aus einer Silikonvariante. In diesem Sandwich teilen sich Solarzelle und Regenwandler die Kunststofflage als Elektrode. Zudem haben die Forscher hauchdünne Rillen in die Kunststoff- und Silikonschicht geprägt. "Die Rillen vergrößern die Kontaktfläche zu den Regentropfen und sie fangen mehr Sonnenlicht ein, weil weniger weggespiegelt wird", erklärt Wen.

Die Kombination von Silizium mit dem leitfähigen Kunststoff wird erst seit einigen Jahren als kostengünstige und schlanke Variante klassischer Siliziumsolarzellen untersucht, etwa am Institut für Solarenergieforschung in Hameln (ISFH) und am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB).

Auch die TENGs für Regentage sind noch eine junge Stromerzeugerklasse. Sie nutzen ein Phänomen, das jeder kennt, der sich einmal mit einem Plastikkamm die frisch getrockneten Haare gekämmt hat. Beim Kontakt wandern Elektronen von einem Material ins andere, und die Stoffe laden sich elektrisch auf. Das Gleiche geschieht, wenn Regentropfen über die oberste Schicht der Solarzellen-TENG-Kombination rollen.

Die Technik könnte zunächst genutzt werden, um tragbare Elektrogeräte aufzuladen

Auch andere Arbeitsgruppen arbeiten an Systemen, die Sonne und Regen in Elektrizität übersetzen können. Zhong Lin Wang vom Georgia Institute of Technology präsentierte 2015 im Magazin Materials Views eine Kombination aus Regenwandler und einer Siliziumsolarzelle. Dieses Modul nutzt nicht nur die elektrostatische Aufladung durch Regentropfen, sondern wandelt unter anderem auch den Druck beim Aufprall in Strom um.

Markus Glatthaar vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg verortet solche Ansätze in den Bereich der Grundlagenforschung. Die Leistung klassischer Siliziumsolarzellen sei um Größenordnungen höher. "Damit sich Kombinationen mit einem TENG rechnen, muss es sehr viel regnen." Die Performance des neuen Regenwandlers ist noch bescheiden. "Selbst bei Mondlicht würde eine gute Siliziumsolarzelle mehr Leistung erzeugen", sagt der ISFH-Forscher Jan Schmidt. Silke Christiansen vom HZB betont hingegen das Potenzial. Für die Energiewende sei es unverzichtbar, Energie aus möglichst vielen regenerativen Quellen zu nutzen. "Deshalb müssen wir schon heute neue Konzepte erforschen, auch wenn sie noch weit von einer technologischen Anwendung entfernt sind."

Mit klassischen Solarzellen will das Team aus China ohnehin nicht konkurrieren. "Unser System ist vor allem leicht und billig. Deshalb wollen wir daraus als nächstes Fasern für Jacken fertigen, mit denen man tragbare Elektronik aufladen könnte", sagt Wen. In drei bis fünf Jahren könnten erste Prototypen präsentiert werden. Einen Haken wird der Energiewandler aber auch dann noch haben: Solarzelle und TENG arbeiten nur abwechselnd, Licht und Regenwasser liefern nicht gleichzeitig Energie.

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SZ vom 24.05.2018/hach
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