Das Wachstum der globalen Treibhausgasemissionen ist ein Klacks verglichen mit dem publizistischen Aktionismus, den das Thema ausgelöst hat. Ratgeber zum klimabewussten Leben, Pamphlete gegen den Klimaschutz, Aufrüttelndes und Beschwichtigendes. Kluge, abwägende Bücher zum Klimaproblem sind in diesem Blätterwald so rar wie ernsthafte Reaktionen der Staatengemeinschaft.
Felix Ekardt, Umweltjurist und Nachhaltigkeitsforscher, hat so ein Buch jetzt vorgelegt: Anhand von 50 gängigen Ansichten rund um die Erderwärmung hangelt sich Ekardt durch die komplizierte, mitunter widersprüchliche Welt der Klimapolitik. Ein Problem, dessen Dringlichkeit sachliche Debatten oft erschwert, behandelt er nüchtern und ohne Tabus. "Die Ursache unseres Klimaproblems ist nämlich in aller Kürze: Wir in Europa und Nordamerika sind zu reich und werden im Grunde immer noch reicher. Streben wir weiteres Wachstum an, wird auch der Energieverbrauch und damit der Verbrauch an fossilen Brennstoffen tendenziell immer größer." Kürzer, trockener geht es nicht.
"Ein Ende des Wachstums wäre nicht das Ende auskömmlichen menschlichen Lebens"
Was aber folgt daraus? Ekardt nähert sich der Frage aus verschiedenen Richtungen. Er beginnt mit Wachstumskritik: "Ein Ende des Wachstums wäre nicht das Ende auskömmlichen menschlichen Lebens." Er plädiert für Verzicht und bewussten Konsum, aber beides - das sagt er auch - "reicht ohne politische Flankierung nicht aus". Er macht Vorschläge, ohne sich auf einfache Antworten herauszureden. Weder will er die Globalisierung zurückdrehen, noch will er uns alle umerziehen.
Ein so breiter Ansatz findet sich selten in der Klimadebatte, die so oft allein auf den Energieverbrauch oder nur auf Gerechtigkeitsfragen oder aber Kapitalismuskritik fokussiert ist. Der kleine Band ist eine Art Diskussion im Selbstgespräch, mit 50 kurzen Schlussfolgerungen. Gleichwohl kreist auch diese Analyse um ein Konzept, einen Zehn-Punkte-Plan für die Klimawende.
Ekardts Lösung: Die Marktwirtschaft soll das Problem selbst kurieren, über einen Emissionshandel. Weltweit müsste der Ausstoß an Treibhausgasen begrenzt werden, mit gleichem Pro-Kopf-Budget für jeden Erdenbürger. Ähnliches hat übrigens der Wissenschaftliche Beirat der Vereinigung "Globale Umweltveränderungen" schon 2009 gefordert. Ekardt geht einen Schritt weiter: Die Budgets, festgelegt für jedes Land, könnten Ausgangspunkt für das Handelssystem sein. Eines, wie es in Europa schon halbwegs funktioniert, aber mit besseren Regeln.
So bekäme jedes Land Emissionsrechte zugeteilt, die dem Budget seiner Bevölkerung entsprechen. Diese Emissionsrechte wären handelbar, würden also an alle versteigert, die das Klima schädigen, an Industriefirmen ebenso wie an Fluggesellschaften oder Viehzüchter. Weil Industriestaaten mehr solche Rechte brauchen als Entwicklungsländer, müssten sie dort Zertifikate kaufen. "So würde neben dem Klimaschutz auch das zweite globale Megaproblem angegangen", schreibt Ekardt, "die globale Armut". Um höhere Energiepreise zu kompensieren, würden die Erlöse aus dem Emissionshandel an Bürger ausgeschüttet: als "Ökobonus".
Nur eine Vision? Das schon. Aber auch eine Anregung, über die simplen Lösungen hinauszudenken. Und eine lesenswerte zumal.
FELIX EKARDT: Klimaschutz nach dem Atomausstieg. 50 Ideen für eine neue Welt. Herder Verlag, Freiburg 2012. 200 Seiten, 9,99 Euro.