Neue Studie zu Amalgam:Entwarnung in aller Munde

Eine Münchner Langzeitstudie hat beruhigende Ergebnisse. Die Mediziner konnten keinen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und Beschwerden der Patienten nachweisen.

Ch. Berndt/J. Maier

Jahrzehntelang hatte der Konzern gutes Geld mit schlechten Zähnen verdient. Vor einer Dekade aber begann die Amalgamproduktion der Degussa weh zu tun: 1500 Menschen verklagten den Chemiekonzern 1996 auf Körperverletzung.

Neue Studie zu Amalgam: Umstrittenes Füllmaterial: Amalgam.

Umstrittenes Füllmaterial: Amalgam.

(Foto: Foto: oh)

Sie glaubten, das Amalgam in ihren Zähnen habe sie krank gemacht. Die Degussa gab schnell klein bei und zahlte 1,2 Millionen Mark in einen Fonds. Mit dem Geld sollte die Wissenschaft einen schon fast 200 Jahre alten Streit beenden. Ist das Amalgam mit seinem hohen Gehalt an Quecksilber nun schädlich oder nicht?

Nicht irgendwer sollte die Frage beantworten, sondern Forscher, denen die Betroffenen vertrauen. Zwölf Jahre lang spürten daher Wissenschaftler vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung der TU München den Folgen des Amalgams nach.

Ihr Fazit beruhigt: "Wir konnten keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Amalgamfüllungen und den Beschwerden der Patienten feststellen", sagte Studienleiter Dieter Melchart bei der Präsentation der Ergebnisse am Freitag in München.

Damit bestätigt die längste und wohl aussagekräftigste Studie, die es je zum Thema Amalgam gegeben hat, frühere Untersuchungen. Die Münchner Wissenschaftler hatten für ihr Langzeitprojekt etwa 5000 Patienten interviewt. Alle Befragten wollten ihr Gebiss vom Amalgam befreien lassen und waren bei einem Zahnarzt der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin in Behandlung.

Die Forscher kümmerten sich aber auch um einige der Kläger aus dem Degussa-Verfahren. Diesen Patienten war es im Durchschnitt besser gegangen, nachdem sie ihre Füllungen losgeworden waren. Die Erkenntnis sei allerdings mit Vorsicht zu interpretieren, so die Forscher.

Schließlich seien die Patienten davon überzeugt gewesen, dass ihnen das Amalgam geschadet habe. "Manche Leute berichten schon zwei Tage nach der Gebisssanierung, es gehe ihnen erheblich besser", betonte Reinhard Hickel, Professor für Zahnerhaltung an der Universität München. "Dabei ist einige Tage nach dem Herausbohren des Amalgams die Quecksilberbelastung besonders hoch."

Seit langem ist klar, dass Amalgamfüllungen das Schwermetall Quecksilber absondern, welches sich vor allem in Nieren und im Nervensystem ablagert. "Die Konzentrationen sind aber weit unter dem für die Gesundheit kritischen Bereich", sagte Melchart, selbst wenn jemand den Mund voller Füllungen hat.

Noch dazu äußere sich die Amalgamkrankheit, wie sie die Degussa-Kläger bei sich vermuteten, alles andere als eindeutig: "Typisch für Amalgam ist, dass es keine typischen Beschwerden gibt", so Melchart. Die Patienten klagen über Müdigkeit ebenso wie über Darmprobleme und Kopfweh; insgesamt nennen sie mehr als 300 verschiedene Symptome.

Gleichwohl ist den Patienten zu helfen - und zwar auch, wenn sie ihr Amalgam im Mund behalten. "Das Herausnehmen der Füllungen linderte in unserer Studie zwar die Beschwerden", erklärt Melchart, "aber Entspannungsübungen und eine bessere Ernährung erhöhten die Lebensqualität der Patienten ebenso, obwohl sich die Quecksilberwerte im Körper dadurch natürlich nicht veränderten."

Der Arzt und Leiter des Zentrums für naturheilkundliche Forschung rät davon ab, Amalgamfüllungen entfernen zu lassen, solange sie noch intakt sind. Schließlich seien auch die anderen Materialien nicht völlig unbedenklich, ergänzte sein Kollege Thomas Zilker, nicht einmal das edle Gold.

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