Neue Ozonkiller:Kratzen am Schutzschild der Erde

Erdkugel

Die Ozonschicht des Planeten hält schädliche UV-Strahlung fern

(Foto: dpa)

Das Ozonloch? Dieses Problem galt als einigermaßen gelöst. Doch jetzt haben Forscher neue Gase gefunden, die den Schutzschild des Planeten bedrohen. Woher sie stammen, weiß niemand genau.

Von Andrea Hoferichter

Von der Ozonschicht war in den vergangenen Jahren meist Erfreuliches zu hören. Sie scheint sich zu erholen und könnte gegen Ende des Jahrhunderts wieder voll intakt sein, meldeten Klimaforscher. Das weltweit verbindliche Montreal-Protokoll von 1987, das die Produktion der Ozonkiller Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) weitgehend verbietet, gilt seither als umweltpolitische Erfolgsgeschichte. Umso mehr staunten Forscher der britischen East Anglia University, als sie in Luftproben FCKW-Varianten entdeckten, die bisher niemand beachtet hatte. Von ihren neuesten drei Ozonkillerfunden berichten sie nun im Online-Journal Atmosphere.

Unter den jetzt charakterisierten FCKW ist auch ein Gas, dessen Konzentration in der Stratosphäre noch immer zuzunehmen scheint, auch wenn seine absolute Konzentration sehr niedrig ist. Auch vier weitere, deutlich häufigere FCKW, von denen die Forscher im März im Fachblatt Nature Geoscience berichteten, schlagen mengenmäßig kaum zu Buche. "Alle vier Substanzen ergeben zusammen gut 74 000 Tonnen. Das ist ein Bruchteil der jährlichen FCKW-Emissionen in den 1980er-Jahren", berichtet der Projektleiter Johannes Laube. Damals wurde in Spitzenzeiten jedes Jahr mehr als eine Million Tonnen der Substanzen freigesetzt, die zum Beispiel als Treibmittel in Sprühdosen und als Kältemittel in Kühlschränken steckten.

Einer der drei Neulinge jedoch macht dem Wissenschaftlerteam Sorgen: ein Fluorchlorkohlenwasserstoff namens F-113a. "Dieses Gas reichert sich unseren Untersuchungen zufolge schon seit zwanzig, dreißig Jahren in der Luft an, völlig unbeeindruckt von internationalen FCKW-Verboten", berichtet Laube. In den letzten Jahren habe sich die Zunahme sogar beschleunigt. Zudem ist F-113a wie alle Fluorchlorkohlenwasserstoffe sehr langlebig. Mehr als 50 Jahre kann es sich in der Atmosphäre halten, haben die Forscher errechnet. "Steigt die Konzentration weiter, könnte das Gas in einer Dekade zu einer neuen Gefahr für die Ozonschicht werden", warnt Laube. Und nicht nur das; wie die meisten FCKW ist es ein starkes Treibhausgas.

"Wir haben die Gase zuerst in Luftproben aus Bergregionen in den USA und der Schweiz gefunden", sagt Laube. Luftanalysen aus dem Firnschnee grönländischer Gletscher in unterschiedlichen Tiefen bestätigten die Befunde nicht nur, sie zeigten auch, wie sich die Konzentrationen der Stoffe über Jahrzehnte verändert haben.

Fluorchlorkohlenwasserstoffe werden in der Stratosphäre - der Schicht der Atmosphäre, die über der wetterbestimmenden Troposphäre liegt - von UV-Licht gespalten und setzen aggressive Chloratome frei. Sie zerstören in einer Art Kettenreaktion Zigtausende Ozonmoleküle und greifen so die Schicht an, die das Leben auf der Erde vor aggressiver UV-Strahlung schützt. Schon 1974 warnten Sherwood Rowling und Mario Molina im Wissenschaftsmagazin Nature von der ozonzerstörenden Kraft der Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Reagiert hat die Weltgemeinschaft erst, als Satellitenaufnahmen das Ozonloch Mitte der 1980er-Jahre sichtbar machten.

Woher die bisher unbekannten umweltschädlichen Gase kommen, ist unklar. Sicher scheint nur zu sein, dass sie menschengemacht sind, denn sie tauchen erst seit 1960 in messbaren Mengen in der Atmosphäre auf. Um die Quelle zu lokalisieren, nutzen die Forscher auch Luftproben des internationalen Forschungsprojekts "Caribic", das vom Max-Planck-Institut (MPI) für Chemie in Mainz koordiniert wird. Die Wissenschaftler schicken einen mit modernster Messtechnik ausgestatteten Frachtcontainer an Bord eines Lufthansa-Airbus durch die Welt; er sammelt in zehn bis zwölf Kilometern Höhe Luftproben und untersucht sie.

Schon Ende dieses Jahres könnte die Produktion der soeben entdeckten Gase verboten werden

Die Auswertung von Luftproben eines Caribic-Fluges von Frankfurt nach Kapstadt zeigte, dass die vier höher konzentrierten ozonschädigenden Gase vor allem in der Luft über der Nordhalbkugel hingen, wo weltweit die größte Industriedichte ist. Die Luftproben zu den neuesten Funden wurden auf der Strecke Frankfurt - Bangkok gesammelt. Weitere Flüge sollen noch mehr Erkenntnisse liefern.

Eine mögliche Quelle von F-113a könnte Laube zufolge die Insektizid- oder Kältemittelproduktion sein, denn hier kommt der Stoff als Ausgangssubstanz und Zwischenprodukt zum Einsatz. Wegen einer Ausnahmeregel ist das auch legal. "Denkbar ist aber auch, dass illegale Produktionsstätten schuld an den Emissionen sind", sagt Laube. Der Chemiker will die Nachforschungen nun auch im Rahmen des Montreal-Protokolls vorantreiben. Der Vertrag sieht alle vier Jahre einen Austausch mit Wissenschaftlern vor, um die Regelung neuen Erkenntnissen anzupassen. Ende dieses Jahres ist es wieder so weit.

Carl Brenninkmeijer vom MPI, der das Caribic-Projekt koordiniert, plädiert für schnelles Handeln: "FCKW gehören nicht in die Luft. Wir dürfen die Atmosphäre nicht als Mülleimer benutzen." Dass sich Schaden abwenden lasse, zeige ein Beispiel aus dem Jahr 2000. Damals fand man das unbekannte Treibhausgas SF5CF3. Der amerikanische Chemiekonzern 3M gab die Produktion zu und stellte sie ein. "Der Anstieg dieser Treibhausgaskonzentration ist definitiv gestoppt", so Brenninkmeijer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: