Neue Kriterien:Atomendlager soll eine Million Jahre sicher sein

Pannen in Asse: Minister Gabriel spricht von einem der "schlimmsten Beispiele für verantwortungslosen Umgang" mit Atommüll - und stellt neue Kriterien für Endlager vor.

Das künftige deutsche Endlager für hochradiaktiven Atommüll benötigt einen Sicherheitsnachweis für eine Million Jahre. Dies geht aus den neuen Sicherheitskriterien hervor, die Umweltminister Sigmar Gabriel veröffentlichte.

Neue Kriterien: Achtung radioaktiv: Ein Warnschild im maroden Atomendlager Asse.

Achtung radioaktiv: Ein Warnschild im maroden Atomendlager Asse.

(Foto: Foto: ddp)

Gabriel forderte abermals eine neue Standortsuche und äußerte die Erwartung, dass während der Zeit der Suche der umstrittene Salzstock Gorleben nicht weiter erkundet wird. Die neuen Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung ersetzen ein ähnliches Regelwerk aus dem Jahr 1983.

Entscheidender Unterschied zu den bisherigen Sicherheitsanforderungen ist nach Gabriels Worten nicht nur der Sicherheitsnachweis für eine Million Jahre, in denen "allenfalls sehr geringe Schadstoffmengen aus dem Endlager freigesetzt werden können".

Zudem wird gefordert, dass die Sicherheit des Endlagers von der Planung bis zum Verschluss kontinuierlich optimiert und überprüft werden muss. Im Endlager muss es ein "Mehrbarrierensystem" geben, also mehrere, voneinander unabhängige und überlappende Sicherheitssysteme. Außerdem soll bis zum Verschluss des Endlagers auch die Möglichkeit zur Rückholung des Atommülls bleiben.

Gabriel tritt bereits seit 2006 dafür ein, nach vorab festgelegten Kriterien noch einmal bundesweit nach einem geeigneten Standort für ein Endlager zu suchen. Die neuen Sicherheitsanforderungen böten nun die Grundlage für ein solches Auswahlverfahren.

Deutliche Kritik an früherem Asse-Betreiber

Den bereits zum Teil erforschten Salzstock Gorleben schließt Gabriel als Standort nicht aus, will ihn aber vergleichen. Er nannte es "absolut skandalös", dass sich CDU und CSU einem neuen Auswahlverfahren verweigerten. Die sei ein "verantwortungsloses Verhalten der Union". Die Union vertritt die Auffassung, Gorleben sei wahrscheinlich geeignet und solle weiter erkundet werden.

Nach der neuen Panne im niedersächsischen Asse kritisierte Gabriel zudem den früheren Betreiber des maroden Atommülllagers. Die Schachtanlage Asse II sei "eines der schlimmsten Beispiele für verantwortungslosen Umgang mit dem Thema Atommüll-Endlagerung", sagte Gabriel. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das die Helmholtz-Gemeinschaft nach einer Reihe von Problemen mit der Asse abgelöst hatte, saniere das Lager derzeit.

In Asse werden die Probleme nämlich immer größer. Das BfS entdeckte in der ohnehin einsturzgefährdeten Schachtanlage erneut radioaktiv belastete Lauge - unter anderem am tiefsten Punkt der Grube. BfS-Präsident Wolfram König sagte im Radiosender NDR Info: "Von der Lauge geht keine Gefahr aus, aber sie ist mit Radionukliden belastet."

Die zulässigen Grenzwerte werden laut Behörde aber nicht überschritten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland forderte nach den neuen Laugenfunden, die Debatte um Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke zu beenden.

Die Stabilität des Salzbergwerks in Niedersachsen mit etwa 126.000 Fässern mit Atommüll ist stark gefährdet, weil täglich 12.000 Liter Wasser von außen eindringen. Aus Sicht des Strahlenschutzamtes - seit Jahresanfang Betreiber der Asse - hätte der schwach und mittel radioaktive Abfall nie in der Grube gelagert werden dürfen.

Warnung vor Anfahren von Biblis B

Gabriel äußerte sich auch zu Biblis B, das nach einer Überprüfung an diesem Wochenende wieder ans Netz gehen soll. Der Umweltminister warnte den Stromkonzern RWE vor Risiken durch das Wiederanfahren des hessischen Reaktors. "Wir halten es nicht für richtig, einen Reaktor wieder anzufahren, bei dem ein doch existentielles Sicherheitsproblem nicht nach dem Stand von Wissenschaft und Technik geklärt wurde", sagte Gabriel.

Außerdem sei der Reaktor nicht nachgerüstet worden. Die hessische Landesregierung habe mitgeteilt, RWE habe den Nachweis nach dem Stand von Wissenschaft und Technik bis heute nicht erbracht. Hintergrund ist, einen Störfall durch Kühlmittel-Verlust zu verhindern.

Trotz der Probleme mit der Endlagerung und den jüngsten Pannen im Atomkraftwerk Krümmel hat das Thema Atomkraft für zwei Drittel der Bundesbürger keine große Bedeutung für ihre Entscheidung bei der Bundestagswahl im September.

In einer Forsa-Umfrage für das Hamburger Magazin Stern erklärten nur 29 Prozent, dass die Kernenergie einen großen oder sogar sehr großen Stellenwert für ihr Parteivotum besitzt. Zudem sprach sich exakt die Hälfte der Befragten für den im Atomkonsens vorgesehenen Ausstieg bis 2021 aus. Ihnen gegenüber stehen 44 Prozent der Deutschen, die für eine längere Laufzeit sind.

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