Süddeutsche Zeitung

Neu entdeckter Bakterienstamm:Gift zum Leben

Sensationelle Entdeckung: Biologen haben in einem Salzsee Bakterien gefunden, die auf Phosphor verzichten können und sich von giftigem Arsen ernähren. Die Forscher glauben deshalb, dass es bislang unvorstellbare Lebensformen im Universum gibt.

Katrin Blawat

Ein neu entdeckter Bakterienstamm aus einem Salzsee kann offenbar von Arsen-Verbindungen leben. Diese Stoffe galten bislang als hochgiftig. Die chemisch sehr ähnlichen Phosphor-Moleküle hingegen, die Forscher bislang für eine unerlässliche Grundzutat des Lebens hielten, benötigen die Bakterien aus der Familie der Halomonadaceen nicht, berichten Wissenschaftler um Felisa Wolfe-Simon vom Astrobiologie-Institut der Nasa (Science, online). Nach Ansicht der Forscher lässt ihre Entdeckung vermuten, dass es bislang unvorstellbare Lebensformen im Universum gebe. "Wenn etwas auf der Erde etwas derart Unerwartetes tut, zu was ist das Leben dann noch in der Lage?", fragt Wolfe-Simon.

Die Studie hatte vor ihrer Veröffentlichung Spekulationen darüber angeheizt, ob die Nasa außerirdisches Leben entdeckt habe. Ausgelöst wurde dies durch die geheimnisvolle Ankündigung der Behörde, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag-Abend deutscher Zeit "eine astrobiologische Entdeckung vorzustellen, die die Suche nach außerirdischem Leben beeinflussen wird". Mary Voytek, Direktorin des Astrobiologie-Programms der Nasa, sagte am Abend: "Es tut mir leid, wenn die Leute nun enttäuscht sind. Aber es ist ein phänomenaler Fund, und vielleicht werden wir jetzt in der Lage sein, E.T. zu finden." Es wäre schrecklich, zu einem Planeten zu fliegen und das Leben dort zu übersehen, weil man nicht wisse, wonach man suchen kann.

Die Astrobiologen um Wolfe-Simon entdeckten den Bakterienstamm namens GFAJ-1 in dem kalifornischen Salzsee Mono Lake. Er enthält wenig Phosphor, aber viel Arsen. Vermutlich haben sich die neu entdeckten Mikroben in der Urzeit der Erde entwickelt und unter extremen Umweltbedingungen bis heute überlebt, so die Forscher. Im Labor ermittelten sie, dass die Bakterien zwar schneller wuchsen, wenn man ihnen Phosphorsalze anbot. Standen jedoch ausschließlich Arsensalze zur Verfügung, bauten die Mikroben diese in ihre Proteine, Fette und sogar in ihre DNS ein, wie Versuche mit radioaktiv markierten Arsensalzen zeigten.

Der Astrobiologe Steven Benner von der Stiftung für angewandte Molekular-Evolution in Florida hingegen ist noch nicht überzeugt. Er sagte auf der Pressekonferenz: "Außergewöhnliche Behauptungen verlangen nach außergewöhnlichen Belegen.'' Diese liefere die Studie noch nicht. Auch der Biochemiker Barry Rosen von der Florida International University vermutet, dass die Bakterien die Arsensalze zwar aufnehmen, aber nicht in Moleküle einbauen.

Wie die Bakterien das Arsen zum Leben nutzen, weiß auch Wolfe-Simon noch nicht. Sie räumte ein, dass die Organismen in ihren Experimenten nicht alle Phosphat-Moleküle durch Arsen-Verbindungen ersetzt hätten. "Es war aber nicht genug Phosphor übrig, um das Wachstum zu erklären, das wir beobachtet haben." Arsen- und Phosphorsalze ähneln einander chemisch stark. Diese Eigenschaft macht Arsen giftig, weil es fehlerhaft in Zellmaterial eingebaut wird. Dort stört der Stoff lebenswichtige Vorgänge.

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Quelle:
SZ vom 3.12.2010/segi
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