Archäologie:Wie die Neandertaler kochten

Archäologie: Nicht nur Jäger und Sammler, sondern auch Koch: Die Küche der Neandertaler (hier eine Nachbildung im Neanderthal-Museum in Mettmann) war vielseitiger als bislang bekannt.

Nicht nur Jäger und Sammler, sondern auch Koch: Die Küche der Neandertaler (hier eine Nachbildung im Neanderthal-Museum in Mettmann) war vielseitiger als bislang bekannt.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Aus den ältesten je gefundenen Essensresten geht hervor: Schon Vormenschen und altsteinzeitliche Jäger und Sammler schroteten und erhitzten Getreide - und mochten ihr Essen offenbar auch ein bisschen bitter.

Eine Art von Fladenbrot, Linsen, Erbsen, Pistazien und Senf: Die Küche der Neandertaler und auch die des modernen Menschen bereits in der Altsteinzeit waren offenbar ausgefeilter als bislang gedacht. Das zeigen Funde von pflanzlichen Nahrungsresten im Irak und in Griechenland, die zwischen 75 000 und rund 12 000 Jahre alt sind. Sie seien die jeweils ältesten Belege ihrer Art für das Zubereiten von Speisen in Südwestasien und in Europa, schreibt ein Forscherteam um die Archäologin Ceren Kabukcu von der Universität Liverpool im Fachjournal Antiquity.

"Unsere Funde sind die ersten echten Hinweise auf komplexes Kochen - und damit auf eine Essenskultur - bei Neandertalern und auch bei frühen modernen Menschen, lange vor der Landwirtschaft und vor Restaurants", sagte Mitautor Chris Hunt von der Liverpool John Moores University. Zum Kochen zählten die Forscher das Zubereiten von Pflanzensamen wie Einweichen, Stampfen, Würzen und Erhitzen. Mithilfe verschiedener Mikroskop-Techniken analysierte das Team verkohlte Reste der pflanzlichen Nahrung der Jäger und Sammler, die auch Hinweise auf die jeweiligen Zubereitungsmethoden liefern.

Rückschlüsse auf die Kochkunst des altsteinzeitlichen Homo sapiens lassen die rund 12 000 Jahre alten Funde aus der Franchthi-Höhle in Griechenland zu. Die Forscher entdeckten dort verschiedene verkohlte Samen und sogar Überreste von Nahrungsmitteln, die an Fladenbrot erinnern. Die gefundenen Schalen der Samen seien für Linsen, Wicken und andere Hülsenfrüchte charakteristisch. Eine Art konnten sie sogar genau bestimmen: die Linsenwicke (Vicia ervilia). Sie enthält bittere Substanzen und muss vor dem Essen bearbeitet werden.

Aus den glatten Kanten einiger Samenfragmente schließen die Forscher, dass diese gestampft oder grob gemahlen wurden. Weitere Strukturen deuten auf das Einweichen ganzer trockener Samen oder die Verwendung frischer Samen mit hohem Feuchtigkeitsgehalt hin. Die Franchthi-Funde seien die ältesten derartigen Pflanzenreste in Europa, betonen die Forscher.

Archäologie: In der Shanidar-Höhle im Nordirak wurden bis zu 75 000 Jahre alte Essensreste von Neandertalern und Homo sapiens gefunden.

In der Shanidar-Höhle im Nordirak wurden bis zu 75 000 Jahre alte Essensreste von Neandertalern und Homo sapiens gefunden.

(Foto: Chris Hunt/Chris Hunt)

In der Shanidar-Höhle, die in der autonomen Region Kurdistan im Norden des Iraks liegt, bereitete der Homo sapiens bereits vor 35 000 bis 42 000 Jahren Speisen zu. Aus jener Zeit fanden die Forscher unter anderem zerkleinerte und verschmolzene Reste von Platterbsen und Erbsen. Wahrscheinlich seien auch wilder Senf und Pistazien dabei gewesen, schreiben sie.

Zuvor hatten Neandertaler in der Höhle gelebt und schon vor 70 000 bis 75 000 Jahren Hülsenfrüchte und Gräser zubereitet, wie verkohlte und zerstoßene Pflanzenreste belegen. Frühere Untersuchungen des Zahnsteins von Neandertalern aus der Shanidar-Höhle hatten bereits ergeben, dass ihre Ernährung abwechslungsreich war und sie Wildgetreide erhitzten. Bislang fehlte aber eine klare Vorstellung davon, wie ihre Speisen aussahen.

Die Urmenschen beließen offenbar absichtlich Bitterstoffe im Essen

Das Einweichen von wilden Hülsenfrüchten gefolgt von Stampfen oder grobem Mahlen, auf das die Funde von Franchthi und Shanidar hindeuten, habe bitter schmeckende Verbindungen in den Samenhüllen reduziert, schreiben die Forscher. Somit sei die Nahrung schmackhafter geworden und habe weniger schädliche Stoffe enthalten. Die Samenhüllen seien jedoch nicht komplett entfernt worden. Aus Fragmenten von Samenschalen schließen die Forscher, dass ein geringer Anteil an Pflanzenchemikalien wie Tannine und Alkaloide absichtlich in der Speisenzubereitung erhalten worden sein könnte. Dies deute auf die Entwicklung kulinarischer Kulturen hin, in denen Aromen schon sehr früh von Bedeutung waren, sagte Kabukcu.

Über die genaue Art des Erhitzens der Speisen können die Forscher nur spekulieren. Aus den Proben geht laut Kabukcu hervor, dass die Samen einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hatten, als sie Hitze ausgesetzt waren, das sei also während oder nach dem Einweichen geschehen. "Wir haben kleine Feuerstellen in den archäologischen Ablagerungen in der Shanidar-Höhle gesehen und halten es für möglich, dass sie einige Gegenstände auf heißen Steinen gegart haben", sagte die Archäologin. "Da die Neandertaler keine Töpfe besaßen, nehmen wir an, dass sie ihre Samen in einer entsprechend gefalteten Tierhaut einweichten", sagte Hunt dem Guardian.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Auswahl von Nahrungsmitteln und die Zubereitungsarten mehrere Zehntausend Jahre älter sind als die frühesten Belege für den Anbau von Pflanzen, resümieren die Forscher. Landwirtschaft wurde erst später durch ein besseres Klima möglich.

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