Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Bitte nicht noch mal Kopenhagen

Im Dezember könnte bei einer UN-Konferenz die Rettung der Artenvielfalt vereinbart werden. Aber das bescheidene Interesse am Zustand der Natur lässt nichts Gutes ahnen.

Kommentar von Marlene Weiß

Wenn es darum geht, globale Abkommen zum Schutz des Planeten auszuhandeln, sitzt immer auch die Stimmung in der Gesellschaft mit am Verhandlungstisch: Je größer der Druck auf Politiker, nicht mit leeren Händen heimzukommen, desto besser. Längst nicht nur, aber auch mit diesem Phänomen dürfte es zu tun haben, dass die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 scheiterte, während der neue Anlauf 2015 in Paris zum Erfolg führte.

Leider muss man gerade deshalb für die nächste Konferenz, bei der es um die Zukunft der Menschheit geht, sehr pessimistisch sein: Der öffentliche Druck bewegt sich im Mikrobarbereich. Und hier ist ausnahmsweise mal nicht die - ebenfalls wichtige, keine Frage - Klimakonferenz in Scharm el-Scheich gemeint. Sondern die globale Biodiversitätskonferenz, die im Dezember in Montreal ansteht.

Die große Hoffnung ist, dass dort ein annähernd verbindliches globales Abkommen zur Rettung der Natur verabschiedet wird, analog zum Pariser Klimaabkommen 2015. Doch die Verhandlungen sind zäh, ein weiterer Kopenhagen-Moment ist nicht ausgeschlossen.

Der Rückgang der Vogelbestände ist nicht nur traurig, sondern auch sehr besorgniserregend

Aber das Ausmaß dieser Krise scheint immer noch nicht im kollektiven Bewusstsein angekommen zu sein. Dabei fehlt es wirklich nicht an alarmierenden Befunden. Erst vor wenigen Tagen wurde ein alle vier Jahre erscheinender Bericht zum Zustand der Vogelwelt veröffentlicht. Fast die Hälfte aller Vogelarten verzeichnet starke Verluste, nur bei sechs Prozent steigt die Population. Jede achte Spezies ist mittlerweile mehr oder weniger akut vom Aussterben bedroht. Als Hauptgründe nennt der Report die Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft, Waldrodungen und Klimawandel.

Das ist nicht nur unfassbar traurig, wenn man bedenkt, welche Schönheit und Vielfalt da verloren geht. Sondern auch sehr besorgniserregend. Vögel gelten als guter Gradmesser für den Zustand der gesamten Biodiversität, geht es ihnen schlecht, hat die Natur insgesamt ein Problem. Vieles deutet darauf hin, dass das sechste Massenaussterben in der Geschichte des Planeten in vollem Gang ist, erstmals nicht durch natürliche Phänomene ausgelöst, sondern vom Menschen. Die letzten fünf sind für die Mehrheit der Beteiligten nicht gut ausgegangen.

Noch ist Zeit zur Umkehr; ein anderer Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen ist möglich, ein starkes globales Abkommen würde dabei helfen. Aber dafür müssten sich erstmal mehr Menschen für diese, neben dem Klimawandel, zweite existenzielle Bedrohung interessieren. Und die Zeit drängt: Wenn man den Naturschutz noch lange aufschiebt, ist irgendwann nichts mehr zum Schützen da.

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