Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Manta, Manta

Der ozeanische Riesenmanta wird so groß wie ein kleines Flugzeug und ist vom Aussterben bedroht. Forscher könnten nun einen Ort entdeckt haben, an dem die Rochen ihre Jungen zur Welt bringen.

Von Jonas Niesmann

Im Gegensatz zu seinem kleineren Vetter, dem Riffmanta, zieht es den ozeanischen Riesenmanta eher selten in flache Küstengewässer, um sich von Putzerfischen die Parasiten von der Haut knabbern zu lassen. Die meiste Zeit seines Lebens gleitet er durch die Tiefen des offenen Ozeans. Das macht es für Meeresschutzorganisationen kompliziert, sein Verhalten zu studieren.

Doch nun melden Forscher um die Meeresökologin Anna Knochel von der King Abdullah University of Science and Technology in Thuwal nahe Mekka in Saudi-Arabien einen wichtigen Erfolg: Wie sie in der Zeitschrift Aquatic Conservation berichten, haben sie im Roten Meer einen Ort identifiziert, an dem die Tiere womöglich ihre Jungen gebären.

Der Schutz des Nachwuchses der gigantischen Rochen ist aufgrund ihrer konservativen Fortpflanzungsstrategie von besonderer Bedeutung. Anders als beispielsweise der Kabeljau, der gleich mehrmals im Jahr viele Tausend Eier gleichzeitig ablegt und sich so nach einer Phase der Überfischung recht schnell erholen kann, wird ein Mantaweibchen überhaupt erst mit zehn bis 15 Jahren geschlechtsreif. Daraufhin bekommt es nur etwa alle drei Jahre ein Junges, die Reproduktionsrate ist also extrem gering.

Im Golf von Kalifornien, wo die Mantarochen-Population schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts so stark dezimiert war, dass die Fischerei eingestellt werden musste, werden heute so gut wie keine Riesenmantas gesichtet.

Auf Taucher reagieren die Tiere, indem sie ihre Kopfflossen verdrehen

Weltweit sind die Populationszahlen der gigantischen Rochen innerhalb weniger Jahrzehnte auf ein Maß zusammengeschrumpft, das ihnen die Einstufung "gefährdet" auf der IUCN-Liste eingebracht hat. Definition: "Mit sehr hohem Risiko vom Aussterben bedroht". Das ist vor allem das Ergebnis gezielter Fischerei.

Zum Pech der Riesenmantas werden ihren Kiemenplatten in der traditionellen chinesischen Medizin allerlei Heilkräfte zugeschrieben, weshalb sie in den vergangenen Jahrzehnten massiv bejagt wurden. Oft landet der Rochen aber auch als Beifang in den riesigen Hochseenetzen von Thunfischflotten oder verfängt sich in den küstennahen Netzen einheimischer Fischer.

Doch um die Tiere besser schützen zu können, muss man zunächst ihre Lebensgewohnheiten verstehen. Was man weiß: Der Riesenmanta (Mobula birostris) kommt in beinahe allen Gewässern der Subtropen und Tropen vor. Mit einer Flossenspannweite von bis zu acht Metern erreicht er die Ausmaße eines Kleinflugzeugs und wird vermutlich um die 40 Jahre alt. Wie viele der größten Meeresbewohner ernährt er sich vornehmlich von Plankton - mikroskopisch kleinen Pflanzen, Larven oder Krebsen, die im Wasser umhertreiben.

Auf der Suche danach taucht er bis in Tiefen von 1500 Metern ab und hat einige spezielle Techniken entwickelt. Eine davon besteht darin, mehrere Saltos zu schlagen, während er sich mit seinen überlangen Kopfflossen die Kleinstlebewesen ins Maul schaufelt.

Diese Flossen, so haben Wissenschaftler vor Kurzem herausgefunden, könnten darüber hinaus aber auch der Kommunikation dienen. Ein leichtes Zucken mit der Lappenspitze wurde zum Beispiel beobachtet, wenn die Rochen Artgenossen begrüßten, ein Einrollen der Spitze hingegen, wenn sie sich spaßeshalber umherjagten - und eine korkenzieherartige Verdrehung gar, wenn sie Tauchern gegenüberschwebten. Die genaue Bedeutung dieser Gesten muss allerdings noch entschlüsselt werden.

Rochen sind ovovivipar - sie produzieren also Eier, die aber im Leib ausgebrütet werden. Mehr als ein Jahr dauert es, bis ein einziges, lebendes Jungtier zur Welt kommt, die Flossen wie bei einer Roulade zusammengefaltet. Ausgerollt misst es bereits knappe zwei Meter und ist vom ersten Moment an völlig selbständig. Beobachtet werden konnte eine solche Geburt bisher nur in einem Aquarium in Japan.

Wo frei lebende Riesenmantas ihren Nachwuchs zur Welt bringen, blieb lange ein Rätsel - bis 2018 bei einem abgelegenen Riff im Golf von Mexiko der erste "Riesenmanta-Kindergarten" entdeckt wurde. Die Forscher um Knochel könnten nun einen zweiten gefunden haben.

Die Wissenschaftler kombinierten eine bewährte Methode mit einem kreativen Ansatz. Wie bei einigen Hai-Arten, bei Giraffen oder der menschlichen Fingerkuppe findet sich auf der Haut des Mantarochens ein einzigartiges Muster, anhand dessen jedes Individuum eindeutig identifiziert werden kann.

Projektleiterin Anna Knochel durchforstete mit ihrem Team Tausende Einträge auf Youtube, Facebook und Instagram nach Fotos und Videos von Riesenmantas, die Touristen im Roten Meer geschossen hatten. 267 verschiedene Individuen konnten die Forscher so identifizieren - und in vielen Fällen auch deren Alter bestimmen. Zu ihrem Erstaunen bemerkte das Team in den Gewässern vor der ägyptischen Stadt Scharm el-Scheich eine große Anzahl von Jungtieren, deren Sichtung ansonsten äußerst selten ist.

Die lokale Bevölkerung ist oft von der Manta-Jagd abhängig

Im Jahr 2013 haben sich die 184 Mitgliedstaaten der Konvention zum internationalen Handel mit bedrohten Spezies dazu verpflichtet, dem ozeanischen Mantarochen in ihren Gewässern einen begrenzten Schutz einzuräumen. Bejagt werden darf er nur noch, wenn es sich dabei um nachhaltige Fangmethoden handelt, was in der Praxis kaum möglich ist. Um aber zielgerichtete Maßnahmen ergreifen zu können, sind die Behörden auf Forschungsprojekte wie das von Anna Knochel angewiesen.

Allerdings bleibt illegale Fischerei weiterhin ein Problem, denn oft hängt die lokale Bevölkerung in den betreffenden Regionen von den Einkünften aus der Rochenjagd ab. Auf der indonesischen Insel Lamakera kam es 2018 beinahe zu einer blutigen Auseinandersetzung, als sich eine Dorfgemeinschaft weigerte, illegale Fischer an die Behörden zu übergeben.

Lokale und internationale Organisationen bemühen sich deshalb, alternative und nachhaltige Einkommensquellen zu schaffen - etwa im Tourismus. Auf der ganzen Welt sehnen sich Menschen nach einer Begegnung mit charismatischen Großfischen wie Mantarochen oder Walhaien, erklärt Guy Stevens von der Organisation Manta Trust. Allein auf den Malediven, so rechnet Stevens in einer Studie vor, bringt das Geschäft mit den Mantarochen jährlich mehr als 15 Millionen Euro ein.

Von diesem Geld profitiert auch die lokale Bevölkerung, denn es entstehen neue Arbeitsplätze. Allerdings, so warnen Wissenschaftler, kann auch Tourismus zu einem Stressfaktor für die Tiere werden. Ökotourismus muss deshalb nachhaltig gestaltet werden. Zudem müssen kritische Habitate identifiziert und geschützt werden.

Dazu ist viel weitere Forschung nötig. Vielleicht erfahren wir dann ja auch, was es mit dem Wedeln der Kopfflossen auf sich hat, wenn ein Mantarochen auf einen Menschen trifft. Vermutlich heißt es einfach: Zieh Leine, Alter!

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