Naturschutz in den USA:Republikaner gegen seltene Arten

Wild bison walk along a ridge in the Rocky Mountain Arsenal National Wildlife Refuge

Naturschützer kämpfen derzeit dafür, dass Bisons unter den Schutz des "Endangered Species Act" gestellt werden - doch das Gesetz selbst ist bedroht.

(Foto: REUTERS)
  • Der "Endangered Species Act" schützt mehr als 2000 zumeist seltene Arten in den USA.
  • Die US-Regierung Donald Trumps würde das Gesetz gerne ändern. Unter anderem sollen die wirtschaftlichen Folgen stärker berücksichtigt werden.
  • Kritiker fürchten, die Änderungen könnten seltene Arten weiter unter Druck setzen.
  • Von den Änderungen profitieren könnte unter anderem die Öl- und Gasindustrie.

Von Johannes Kuhn, Austin

Anfang der Neunziger machten Bewohner von San Antonio einen ungewöhnlichen Feind in ihrer Mitte aus: blind, zwischen acht und 14 Zentimeter lang und stark gefährdet.

Der Texanische Brunnenmolch war ihnen allerdings vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil er einzig in den Höhlengewässern des "Edwards Aquifer" lebt. Und von diesem natürlichen unterirdischen Wasserspeicher bezieht der texanische Großraum sein Trinkwasser.

1993 entschied ein Gericht, dass die Stadt den Lebensraum des Schwanzlurchs schützen und ihren eigenen Wasserverbrauch einschränken muss. Zeitungen, Politiker und Swimmingpool-Besitzer wüteten gegen die angeblichen Exzesse des Artenschutzes. 25 Jahre später ist der Brunnenmolch Symbol für kluge Planung: Die Stadt musste zwar in ein teures System zur Wasseraufbereitung, den Austausch von 250 000 Toilettenspülungen und ein Regenwasser-Sammelprogramm investieren. Doch der Wasserverbrauch sank um fast 40 Prozent pro Einwohner - und während Metropolen wie Dallas von den immer heißeren und trockeneren texanischen Sommern überfordert sind, ist San Antonio auch auf dürre Zeiten vorbereitet.

Vom Brunnenmolch erzählen Umweltschützer dieser Tage wieder häufiger, genau wie von Buckelwalen, Seekühen oder Grizzlybären: Sie gehören zu Hunderten Arten, die unter dem Schutz des "Endangered Species Act" (ESA) stehen. Doch nun ist das Gesetz von 1973 selbst gefährdet.

Künftig soll der finanzielle Aufwand für den Schutz berücksichtigt werden

Im Juli veröffentlichte die US-Regierung Donald Trumps Vorschläge für eine neue Auslegung des Gesetzes. Vor allem zwei Punkte riefen bei Biologen und Umweltaktivisten Kritik hervor:

  • Bei den Entscheidungen über die Rettung von Tier- oder Pflanzenarten soll künftig der finanzielle Aufwand für den Schutz in die Entscheidung einfließen. Die zuständigen Behörden klammern dies bisher aus, weil sie der gefährdeten Art kein "Preisschild" anheften wollen. Zieht man die wirtschaftlichen Folgen ebenfalls hinzu, etwa die Schäden, die gefährdete Wölfe in Tierherden anrichten, können die Kosten enorm sein. Ein von Republikanern oft genannter Fall ist der Schutz des Fleckenkauzes. Der Eule wird eine Teilschuld für den Einbruch der Holzindustrie an der Westküste gegeben.
  • Bislang erhielten zudem gefährdete Arten den gleichen Schutz wie vom Aussterben bedrohte Arten. Die beiden Stufen sind auf der Skala der Naturschutzunion IUCN benachbart. Der neue Entwurf sieht vor, dass die einen Gefährdungsgrad niedriger stehenden Arten den vollständigen Schutz nur noch von Fall zu Fall bekommen. Forscher warnen davor, dass damit viele Populationen destabilisiert werden könnten. Wenn zum Beispiel die 40 Hektar im Großraum Los Angeles, die für den Schutz des gefährdeten Kalifornien-Mückenfängers reserviert sind, für Bauprojekte freigegeben werden, verliere der Vogel seinen Lebensraum, ohne ihn später wieder besiedeln zu können.

Als Richard Nixon den ESA vor 45 Jahren unterzeichnete, war er fast einstimmig vom Kongress verabschiedet worden. In den Jahren danach aber gab es immer wieder Debatten über Infrastruktur- und Bergbauprojekte sowie Wasserrechte, die im trockenen Westen des Landes eine große Rolle spielen. Das Gesetz und seine Lesart wurden mehrmals angepasst. Landbesitzer können inzwischen bestimmte Auflagen erfüllen und erhalten im Gegenzug eine Garantie, dass diese nicht verschärft werden.

Umweltschutz-Gegner könnten das Gesetz zweckentfremden, fürchten Kritiker

Zugleich ist die Liste auf mehr als 2000 Arten angewachsen. "Wir wissen inzwischen einfach immer mehr darüber, wie wichtig Artenschutz ist", sagt die Umweltrecht-Professorin Holly Doremus von der Universität Berkeley. "Es gibt niemanden, der das Gesetz für perfekt hält. Aber nun hat der Anti-Umwelt-Flügel der Republikaner den Wunsch nach Reform zweckentfremdet."

Von den vorgeschlagenen Änderungen könnten vor allem Öl-, Gas- und Kohle-Firmen, Immobilien-Investoren und Landwirte profitieren. Die US-Regierung hat unter Donald Trump bislang geschützten Staatsgrund in beachtlicher Größe für den Abbau von Rohstoffen, Landwirtschaft und Jagd geöffnet. David L. Bernhardt, der als stellvertretender Innenminister die Änderungen verantwortet, war früher Öl-Lobbyist. Greg Sheehan, der als ausführender Direktor des United States Fish and Wildlife Service die Änderungen umsetzt, ist Mitglied einer Organisation für die "Verbreitung von Jagd- und Schuss-Sportarten" sowie der internationalen Sportjagd-Lobbygruppe "Safari Club International".

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Amerikas Konservative zu Umweltschutz-Gegnern entwickelt, obwohl vier von fünf US-Bürgern das Artenschutz-Gesetz unterstützen. Dies hängt damit zusammen, dass die Republikaner staatliche Eingriffe vermehrt ablehnen. Und mit einer starken Nähe zu Branchen, die von der Nutzbarmachung von Boden profitieren - sei es durch Bau, Anbau oder Abbau.

Derzeit kursieren im US-Kongress mehrere konservative Entwürfe, die den ESA stark einschränken würden. Sie sehen zum Beispiel vor, die Verantwortung für den Artenschutz weitestgehend an die Bundesstaaten zu delegieren. Die werden bereits bei Entscheidungen einbezogen und haben gute Fachleute. Allerdings warnt nicht nur der Umweltrecht-Professor Michael Gerrard von der Columbia University davor, gerade republikanisch dominierten Staaten die Gestaltung der Umweltauflagen vollständig zu überlassen: Dies sei, als würde man das Gesetz "in die Hände von Öl-, Gas- und Kohle-Industrie geben".

Angesichts der Mehrheiten im Kongress ist weder eine konservative Quasi-Abschaffung, noch eine parteiübergreifende Reform derzeit wahrscheinlich - entsprechend kommen die Entwürfe nicht einmal zur Abstimmung.

Artenschutz wird Teil des Kulturkampfs

Die Neuauslegung der Regeln durch die Trump-Regierung wird dagegen wahrscheinlich noch in diesem Jahr vollzogen. Obwohl US-Bürger die Vorschläge noch bis Mitte September kommentieren können und dies für heftige Kritik nutzen, wird nicht mit größeren Veränderungen gerechnet. Die Umweltjuristin Doremus erwartet deshalb, dass die Neuauslegung jahrelange Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen wird. Ein demokratischer Präsident könnte die Richtlinien später ohnehin korrigieren.

Allerdings droht der Artenschutz nun, wie bereits viele andere Themen, in das typische Kulturkampf-Raster der USA zu fallen. Und das unter verschärften Voraussetzungen. "Die Mischung aus Klimawandel und Bevölkerungswachstum wird dafür sorgen, dass es mehr bedrohte Arten geben wird und ihr Schutz mit größerem Aufwand verbunden ist", sagt Doremus. Daraus ergeben sich bereits jetzt knifflige Fragen, wie das Beispiel des vom Aussterben bedrohten Fischs "Delta smelt" (Hypomesus transpacificus) zeigt. Der lebt in den salzigen Nebenarmen eines nordkalifornischen Flusses, Forschern zufolge ist sein Aussterben kaum zu verhindern. Zugleich blockiert sein Schutz einige Projekte, die das Flusswasser in den immer trockeneren Süden Kaliforniens leiten sollen. Sollte man ihn also aufgeben?

Statt über solche Fälle zu diskutieren, fürchtet Doremus, könnten immer mehr konservative Amerikaner künftig eine ganz andere Frage stellen: Warum sollten die Vereinigten Staaten überhaupt Arten schützen?

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