Naturschutz - Erfurt:Landwirtschaft: Feldmaus bekämpfen ohne Hamster zu bedrohen

Agrar
Ein Feldhamster schaut auf einer Ackerfläche aus einem Erdbau. Foto: Uwe Anspach/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Erfurt (dpa/th) - Im Kampf gegen die Feldmausplage auf Thüringens Äckern kommen Bauernverband und Umweltministerium bislang nicht auf einen gemeinsamen Nenner. In einem Brief an den Thüringer Bauernverband zeigte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) zwar Verständnis für die Klagen der Landwirte, die mit hohen Ernteausfällen wegen der vielen Feldmäuse in diesem Jahr rechnen. Zugleich machte die Ministerin klar, dass die Feldmausbekämpfung "nicht die für Thüringen besorgniserregenden niedrigen Hamsterbestände bedrohen" dürfe.

In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, spricht sie sich für die Einführung eines Ausgleichs für Bauern aus, die Feldhamster auf ihren Äckern haben. Sie habe bei Agrarminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) dafür geworben, dass es für Schäden oder Mehraufwand in der Landwirtschaft einen Ausgleich geben solle, wenn sie durch streng geschützte Tierarten entstanden seien, schreibt Siegesmund. "Landwirte, die den Feldhamster auf ihren Flächen haben, sollten dafür belohnt werden."

Landwirtschaftsminister Hoff sagte, man habe den Vorschlag von Ausgleichszahlungen geprüft. Aber: "Aufgrund der Höchstbeträge für De-minimis-Beihilfen stellt dies für einen relevanten Teil der betroffenen Unternehmen keine Hilfe dar." Demnach würden viele Bauern die Höchstgrenze für nicht genehmigungspflichtige Beihilfen bereits ausschöpfen und hätten von einer solchen zusätzlichen Zahlung daher nichts.

Der Schutz des Feldhamsters und die Bekämpfung der Feldmausplage stehen im Konflikt zueinander. Die Landwirte wollen den Feldmäusen mit speziellem Gift (Rodentiziden) zu Leibe rücken. Umweltministerium und Landwirtschaftsministerium haben den Einsatz von Gift zwar erlaubt - jedoch nur unter strengen Auflagen, um den Bestand des bedrohten Feldhamsters möglichst nicht weiter zu reduzieren.

So können Thüringer Bauern Gutachter beauftragen, um zu klären, ob auf ihren Flächen Feldhamster-Baue vorkommen. Ist das nicht der Fall, dürfen sie Gift einsetzen.

Die Thüringer CDU-Fraktion kritisierte die Regelungen in der Vergangenheit als zu bürokratisch. Der landwirtschaftliche Sprecher der CDU-Fraktion, Marcus Malsch, hatte das erforderliche Einholen von Einzelgutachten als lebensfremd bezeichnet.

Auch der Thüringer Bauernverband forderte einfachere Lösungen und verwies auf Regelungen in Sachsen-Anhalt. Dort, schreibt der Bauernverband in einem Brief an Siegesmund, würden Informationen über die Feldhamstervorkommen von der jeweils zuständigen Naturschutzbehörde bereitgestellt. "Einer solchen Regelung bedarf es auch in Thüringen", heißt es in dem Brief.

Auch kritisierte der Verband den Vorschlag des Umweltministeriums, der Nager mit Hilfe einer intensiven Bodenbearbeitung Herr zu werden. Die Idee dahinter: Durch das Grubbern der Felder sollen die Mäuselöcher zerstört werden. Hamsterbauten hingegen liegen tiefer im Erdreich und sollen dabei weitgehend verschont bleiben. In ihrem Brief an den Bauernverband bekräftigte Siegesmund, dass das Grubbern ein "probates Mittel im Kampf gegen den Feldmausbefall" darstelle. Der Schaden für Feldhamster sei hingegen gering.

Die Thüringer Landwirte erwarten hohe Ernteausfälle durch die massenhafte Vermehrung von Feldmäusen in diesem Jahr. Man dokumentiere hohe Verluste - etwa beim Raps, schreibt der Bauernverband. "Die Landwirt*innen müssen tatenlos zusehen, wie die jungen Pflanzen großflächig aufgefressen werden", heißt es in dem Brief an Siegesmund.

In ihrer Antwort zeigte die Ministerin Verständnis für die Sorgen der Bauern, verwies aber auch auf die ernste Situation des Feldhamsters. "Aufgrund der mir vorliegenden Experteneinschätzungen muss ich leider davon ausgehen, dass der Feldhamster in Thüringen in den nächsten fünf Jahren nahezu komplett aussterben wird, wenn wir nicht massiv gegensteuern", schreibt Siegesmund.

Die Umweltschutzorganisation WWF warnte vor einem Einsatz von Gift. "Die speziellen Gifte töten nicht nur Feldmäuse und Feldhamster, sie geraten weiter in die Nahrungsketten", sagte Albert Wotke, WWF-Experte für Naturschutz in Deutschland. Sterbende Nagetiere würden auch von Vögeln erbeutet, die an dem Gift ebenfalls sterben könnten.

Hoff sprach sich wie der Bauernverband dafür aus, so zu verfahren wie das Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt. Dort sei es bereits seit Mitte September möglich, Feldmäuse in potenziellen Vorkommensgebieten des Feldhamsters mit Rodentiziden zu bekämpfen. Landwirte sollen dort selbst kontrollieren und dokumentieren, ob sich Feldhamster auf ihren Äckern befinden. Außerdem liefert der Pflanzenschutzdienst Informationen über bereits bekannte Feldhamstervorkommen. Die Bauern müssen zudem den Einsatz des Giftes anmelden und dokumentieren.

"Ich bedauere außerordentlich, dass der vernünftige Kompromiss zwischen dem Schutz des streng geschützten Feldhamsters und dem Schutz der Ernte aufgrund der starren Haltung des Thüringer Umweltministeriums nicht zustande gekommen ist", sagte Hoff.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: