USA:Ölförderung im Naturschutzgebiet

USA: Auch Eisbären leben in dem Gebiet, in dem künftig Öl und Gas gefördert werden sollen.

Auch Eisbären leben in dem Gebiet, in dem künftig Öl und Gas gefördert werden sollen.

(Foto: STEVEN C. AMSTRUP/AFP)

In einer Küstenregion Alaskas sollen Schürfrechte vergeben werden, obwohl dort viele bedrohte Tierarten leben. Proteste von Umweltschützern werden ignoriert.

Von Petra Krumme

Womöglich schon von Ende dieses Jahres an werden in einem Teil des Naturschutzgebietes "Arctic National Wildlife Refuge" in Alaska Schürfrechte an Öl- und Gaskonzerne vergeben. US-Innenminister David Bernhardt unterzeichnete vergangene Woche ein Dokument, wonach die Rohstoffförderung in dem Gebiet nicht gegen geltende Umweltbestimmungen verstößt. Ein Zeitplan steht noch aus; die Gegner sind gegen das US-Innenministerium und die zuständige Behörde vor Gericht gezogen.

Die naturbelassene Küstenebene im Nordosten Alaskas, über dem Nordpolarkreis an der Beaufortsee gelegen, gilt als einzigartig und beheimatet über 200 Zugvogelarten, Polarbären, Karibus, seltene Fischarten und im Bestand gefährdete Moschusochsen.

Wie groß die Öl- und Gasvorkommen dort tatsächlich sind, ist nicht genau bekannt. Seismische Tests, die darüber aufklären sollten, haben bis jetzt nicht stattgefunden und würden ihrerseits bereits einen deutlichen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

Während des Gutachtenverfahrens, das nur halb so lange dauerte wie sonst üblich, nutzten Bürger, Organisationen und Behörden die Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Organisationen wie Trustees for Alaska, Sierra Club und der World Wildlife Fund und sogar staatliche Behörden wie der US Fish and Wildlife Service und die Environmental Protection Agency wiesen darauf hin, dass die Gefährdung von Vegetation, Gewässern, Permafrostboden und bestimmter Tierarten nicht genug berücksichtigt worden sei.

So würde der bereits um die Hälfte geschrumpfte Bestand der Southern-Beaufort-Sea-Polarbären weiter gefährdet. Auch für die letzte noch nicht dezimierte Rentierherde Nordamerikas, die Porcupine-Karibuherde, sei die Ebene von besonderer Bedeutung. Wegen der einzigartigen klimatischen und vegetativen Bedingungen werden dort im Frühjahr innerhalb weniger Wochen 40 000 Kälber geboren. Es wurde beobachtet, dass die empfindlichen Tiere sich bis zu 20 Meilen von Pipelines entfernt halten. Forscher prognostizieren einen starken Geburtenrückgang durch eine Industrialisierung der Ebene.

Ein Ölunfall hätte in dem fragilen Ökosystem dramatische Folgen

Ein weiteres Problem sind die speziellen tektonischen Eigenschaften der 1002 Area. Im August 2018 hatte es eine Reihe von Erdbeben bis Stärke 6,4 gegeben. Das mache Ölunfälle wahrscheinlicher, die in dem fragilen arktischen Ökosystem dramatische Folgen hätten, und die Pläne der US-Behörde, giftige Bohrschlämme mit hohem Druck in tiefe Bodenschichten zu pressen, würden die Natur besonderen Gefahren aussetzen.

Auch Kanada steht dem Vorhaben kritisch gegenüber. Wegen der Nähe des Gebiets zur kanadischen Grenze forderte die Regierung transparenten Datenaustausch. Bereits vor zwei Jahren hatte sie sich eindeutig positioniert: "Die Bundes-, Territorial- und indigenen Regierungen in Kanada sind sich einig in ihrem Engagement für den Schutz der Porcupine-Herde und ihres Lebensraums", so John Babcock, Sprecher von Global Affairs Canada.

In einem Artikel von Anfang August stellte das Magazin Politico heraus, wie deutlich sich in der Entscheidung um die 1002 Area Interessenkonflikte von Politikern abzeichnen. Statt im öffentlichen Interesse zu handeln, mische sich beispielsweise der Senior Advisor for Alaska Affairs im Innenministerium, Steve Wackowski, in die wissenschaftliche Arbeit ein, "die typischerweise den Fachmitarbeitern überlassen wird", und bevorzuge häufig Unternehmensinteressen. Er habe eine klare Pro-Öl-Agenda und reagiere gegenüber Mitarbeitern, die Zweifel äußerten, mit Einschüchterungsversuchen. Bereits im Juli 2019 hatte Politico aufgedeckt, wie "wissenschaftliche Erkenntnisse mit Füßen getreten" werden, dass Ergebnisse gefälscht, ignoriert oder absichtlich Fehler eingefügt worden seien.

Besonders von der Ölförderung in der 1002 Area betroffen sind die umliegenden Gemeinden der indigenen Gwich'in-Communitys auf US-amerikanischer und kanadischer Seite. Der Gwich'in Tribal Council äußerte scharfe Kritik an der Entscheidung. Er monierte, dass die betroffenen Communitys nicht angemessen konsultiert worden seien, und drückte Besorgnis über die Auswirkungen der Öl- und Gasförderung in der Küstenebene aus. Aufgrund ihrer kulturellen und spirituellen Verbundenheit mit den Porcupine-Karibus und ihrer Relevanz in Bezug auf Bedürfnisse des täglichen Lebens sehen sie den Fortbestand ihrer Kultur bedroht. In Gwich'in heißt die Küstenebene "Iizhik Gwats'an Gwandaii Goodlit", übersetzt etwa: der heilige Ort, an dem das Leben beginnt.

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