Süddeutsche Zeitung

Naturkatastrophen:Warum derzeit die Wälder lodern

In Kalifornien wüten furchtbare Brände, in Spanien und Portugal haben Feuer ebenfalls viele Menschenleben gefordert. Schuld ist auch der Klimawandel - und falsches Management.

Von Thomas Urban

In der Nacht zum Dienstag kam endlich der Regen. Die Feuerwehren hoffen, nun schnell die Waldbrände im Norden Portugals und in Galicien in der Nordwestecke Spaniens unter Kontrolle zu bringen, die seit dem Wochenende mehr als 40 Menschenleben gefordert haben. In Kalifornien aber, wo gewaltige Feuerwalzen ebenfalls bereits Dutzende Menschen getötet und mehr als 6000 Häuser zerstört haben, werden kräftige Niederschläge erst für Ende des Monats erwartet. Und wie so oft ist der Mensch nicht ganz unschuldig an der Katastrophe.

Sowohl auf der Iberischen Halbinsel als auch im Südwesten der USA hat allen Vorbeugungs-Programmen zum Trotz in den letzten Jahren die Gesamtfläche verbrannter Naturlandschaften stetig zugenommen. Dies gilt auch für andere Regionen der Welt, für das Amazonasgebiet ebenso wie für Sibirien oder Australien. Dabei ist die Zahl der registrierten Fälle nach einer in Science veröffentlichten Studie von 1998 bis 2015 um ein Viertel zurückgegangen. Doch gleichzeitig hat sich die zerstörte Gesamtfläche vergrößert.

Ein internationales Team von Wissenschaftlern veröffentliche im Frühjahr in der Fachzeitschrift Nature Climate Change eine Studie, die auf der Basis von mehr als 600 Forschungsarbeiten aus den letzten drei Jahrzehnten zu einem eindeutigen Ergebnis kommt: Der Klimawandel bringt in erheblichem Maße das Ökosystem Wald aus dem Gleichgewicht, was Waldbrände befördert. Das gilt selbst dann, wenn es regnet: Überproportionale Regenfälle weichen den Waldboden auf, die Wurzeln verlieren ihren Halt. Umgestürzte Bäume sind idealer Nährboden für Insektenbefall, etwa den Borkenkäfer. Ein "gestresster Wald" wiederum ist besonders anfällig für Waldbrände.

In Kalifornien ist die Natur auf Waldbrände eingestellt. Nur der Mensch ist es nicht

Der Lissabonner Klimaforscher, Filipe Duarte Santos, der sich mit Brandschutz in der Natur befasst, schrieb dazu mit einem Anflug von Resignation: "Der Mensch kann mit dem Klimawandel nicht Schritt halten." Dieser führt zu längeren Trockenperioden. Auch bei den Waldbränden in Portugal und Spanien spielt dies eine wichtige Rolle: Völlig ungewöhnlich für die Jahreszeit herrschten bis Mitte Oktober Tagestemperaturen bis zu 30 Grad, normal sind um die 15 Grad. Der letzte Regen war im August gefallen. Erst am Wochenende leiteten Gewitter einen Wetterumschwung ein. Aber da die aufgeheizten und zundertrockenen Waldböden Hitze abstrahlten, verdunsteten die Regentropfen zunächst in der Luft. Blitzeinschläge lösten sofort Brände aus.

Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung weist auf einen weiteren Faktor bei der Verbreitung von Waldbränden hin: die mangelhafte Bewirtschaftung von Wäldern. Zufahrtswege für die Feuerwehr wuchern zu, es sind keine ausreichenden Reservoirs für Löschwasser vorhanden. Zweifellos war dies bei den großen Bränden des vergangenen Sommers in Portugal der Fall, wie aus einer Studie des Innenministeriums in Lissabon hervorgeht. Die betroffenen Regionen litten seit Jahrzehnten unter Landflucht, immer mehr Menschen verließen die Dörfer und kehrten der Waldwirtschaft den Rücken.

Reyer weist auch darauf hin, dass bei der Planung von Vorbeugemaßnahmen oft ein Grundsatz außer Acht gelassen wird: "Feuer ist ein natürlicher Bestandteil des Waldes als Ökosystem." So sei in Kalifornien offensichtlich, dass man die "natürliche Dynamik" ignoriert habe: Jahrzehntelang habe man jedes Feuer sofort unterdrückt. Dabei sei die Natur in diesen Klimazonen durchaus darauf eingestellt, es gibt in Amerika sogar Bäume, die erst nach einem Waldbrand ihre Samen abwerfen. Denn nur so bekommen die dann sprießenden jungen Pflanzen genügend Licht und Raum zum Wachsen.

Zu den Vorbeugemaßnahmen sollte demnach auch das gezielte Abrennen begrenzter Waldflächen in Erwägung gezogen werden - "dann ist erst einmal für ein paar Jahre Ruhe". Reyer verweist auf das Feuermanagement in Südfrankreich, wo ebenfalls in der warmen Jahreszeit stets erhöhte Waldbrandgefahr besteht: Vor allem entlang von Autobahnen, Schnellstraßen und Eisenbahntrassen werden regelmäßig die Wälder streifenweise abgebrannt, im Frühjahr oder im Herbst, wenn der Boden feucht ist und die Ausbreitung des Feuers kontrolliert werden kann.

In Spanien hat die Regionalregierung von Galicien nun eine weitere Ursache für die verheerenden Feuerwalzen ausgemacht: Brandstiftung. In einer Presseerklärung war gar von "Feuerterrorismus" die Rede. Als Motiv vermuten die Experten meist Pyromanie und Rowdytum. Manche legten Brände auch gegen Bezahlung: In Spanien laufen derzeit mehrere Verfahren gegen die "Feuermafia". Dazu gehören die Eigner von sechs kleinen Fluggesellschaften, die bei Waldbränden Einsätze für die Feuerwehr flogen und diese zu völlig überhöhten Sätzen abrechnen konnten. Angeklagt sind auch Lokalpolitiker, die bei dieser Art von Korruption die Hände aufgehalten haben. Allerdings dürfte die "Feuermafia" nur für einen kleinen Teil der Waldbrände verantwortlich sein.

Die portugiesische Zivilschutzbehörde ANPC schätzt, dass bei mehr als 95 Prozent der Waldbrände der Mensch der unmittelbare Verursacher ist, oft aus Unachtsamkeit. In Portugal hatte man in den vergangenen Jahrzehnten bei der Wiederaufforstung von abgebrannten Flächen oder aufgegebenen Feldern auf Monokultur gesetzt: Kiefern und vor allem Eukalyptus. Beide Baumarten wachsen schnell und liefern Rohmaterial für die einheimische Papierindustrie. Die Aufforstung wurde sogar von der EU bezuschusst. Allerdings brennen Kiefern sehr gut, und Eukalyptusbäume, ursprünglich in Australien beheimatet, sind sogar wahre Brandbeschleuniger. Ihre Rinde ist stark harzhaltig, die Bäume stehen im Nu in Flammen, explodieren förmlich, brennende Rindenstücke fliegen oft Hunderte von Metern weit und setzen das nächste Waldstück in Brand.

Nach den verheerenden Waldbränden der vergangenen Jahre in Portugal ist nun bei der Aufforstung wieder Mischwald angesagt, mit einheimischen Baumarten. Auch werden wieder Sträucher und Büsche angepflanzt, die den Waldboden in Dürreperioden vor dem Austrocknen schützen sollen. Das aber ist ein Projekt für eine ganze Generation.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2017
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