Natur und Umwelt:Es hapert beim europäischen Artenschutz

Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - heute vor 20 Jahren von der EU erlassen - ist ein Wegweiser für den Artenschutz. Doch sie wird nicht ausreichend umgesetzt, wie eine Studie des Nabu zeigt. Allein in fünf Jahren wurde in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr als ein Drittel der Grünlandflächen in den FFH-Gebieten zerstört.

Marlene Weiss

An diesem Montag ist es genau 20 Jahre her, dass der Rat der Europäischen Union die sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie erlassen hat. Diese Naturschutzrichtlinie ist wegweisend für den europäischen Artenschutz. Zusammen mit der Vogelschutz-Richtlinie von 1979 hat die FFH-Richtlinie ein Netzwerk von Artenschutzgebieten geschaffen, das "Natura 2000" heißt. Bis heute basiert der Artenschutz in der EU auf diesen beiden Richtlinien - allerdings hapert es bei ihrer Umsetzung.

Biber

Unter Schutz: Biber und gut 1000 weitere Tier- und Pflanzenarten.

(Foto: dpa)

Das zeigen auch erste Ergebnisse einer laufenden Studie, die der Naturschutzbund Nabu am Montag zum Jubiläum vorstellt. Demnach wurde binnen fünf Jahren in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr als ein Drittel der Grünlandflächen in den beobachteten FFH-Gebieten zerstört.

Kürzlich veröffentlichte Greenpeace Luftbilder von Natura-2000-geschützten Buchenwäldern im bayerischen Spessart, wo intensive Forstwirtschaft betrieben werde.

Im jüngsten EU-Bericht wurde denn auch nur 17 Prozent der FFH-Gebiete ein "günstiger" Zustand zugeschrieben. Naturschutzverbände glauben, dass sich die Lage nur bessern wird, wenn bei den Verhandlungen um den EU-Haushalt von 2014 bis 2020 mehr Geld für das Netzwerk herausspringt.

Dabei klang 1992 alles so einfach: Alle EU-Staaten sollten innerhalb von drei Jahren für mehr als 1000 schutzbedürftige Tier- und Pflanzenarten eine Liste der wichtigen Lebensräume abgeben - beruhend auf Artenschutz-Kriterien, unabhängig zum Beispiel von geplanten Autobahnen. Die Kommission sollte die Liste ergänzen. Die Mitgliedstaaten hätten für die Erhaltung der Lebensräume sorgen sollen, etwa durch Beschränkung der Nutzung oder bei Bauprojekten.

Doch die Umsetzung des Plans gestaltete sich schwierig. Erst Ende 1996 stellte Brüssel das Formular fertig, in das die Mitgliedstaaten die Gebiete eintragen sollten. Danach benötigten manche Staaten Jahre, um eine akzeptable Liste einzureichen. Deutschland etwa gelang das erst 1998 - auch deshalb, weil die Länder zuständig sind.

Im Jahr 2001 stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass die Bundesrepublik damit ebenso wie Frankreich und Irland ihre Verpflichtungen verletzt habe. Fünf Jahre später rügte das Gericht Deutschland erneut; diesmal wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie im Naturschutzgesetz.

Ausweisung der Gebiete erst heute einigermaßen abgeschlossen

Erst heute, 20 Jahre später, ist die Ausweisung der Gebiete einigermaßen abgeschlossen. 9,3 Prozent der deutschen Landfläche sind FFH-Gebiete, zusammen mit den Vogelschutz-Gebieten gehören 15 Prozent der Landfläche zum Netzwerk Natura 2000. EU-weit sind es 14 beziehungsweise 18 Prozent der Flächen.

Dass es so lange gedauert hat, lag in Deutschland laut Nabu-Artenschutzexperte Konstantin Kreiser auch an Lobbyarbeit und gezielter Fehlinformation der Landwirte. "Es wurde teilweise bewusst Widerstand gesät", sagt er - obwohl die FFH-Ausweisung ja keine Enteignung sei.

Die Landwirte sollten für entgangene Einkünfte entschädigt werden. Aber dabei hakt es, wie auch bei Kontrolle und Pflege der Gebiete. "Das ist ein Riesenproblem", sagt Kreiser. "Wenn Entschädigungen für Landwirte und das Management des Gebiets nicht gesichert sind, gibt es keine Akzeptanz." Viele Gebiete gingen vor die Hunde, man müsste die Erhaltung überwachen. Trotz allem sieht Kreiser Grund zum Feiern: Die FFH- und Vogelschutz-Richtlinien seien visionär. Bis heute bildeten sie ein modernes, flexibles Naturschutzkonzept.

Der Nabu fordert, mit dem neuen EU-Haushaltsplan von 2014 an drei viertel der Natura-2000-Kosten durch EU-Geld zu decken. Die EU-Kommission schätzt diese Kosten auf 5,8 Milliarden Euro im Jahr.

Derzeit steht in Brüssel weniger als ein Fünftel davon zur Verfügung, und das Geld wird nicht einmal komplett abgerufen. Den volkswirtschaftlichen Nutzen dagegen schätzt die Kommission auf bis zu 300 Milliarden Euro jährlich - zum Beispiel wegen des Klima- und Hochwasserschutzes sowie für den Tourismus.

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