Nashorn-Jagd:Wenn die Weite Afrikas zur Falle wird

Nashorn, Südafrika, Wilderer

Von Wilderern getötete Nashörner in der Savanne: Die meiste Beute geht nach Asien.

(Foto: dpa)

Gerade weil der Lebensraum für Nashörner und Elefanten spektakulär groß ist, können Wildhüter die bedrohten Arten nicht schützen: Immer wieder liegt ein Nashorn in seinem Blut und die hochgerüsteten Killer sind über alle Berge. Für Umweltschützer ist klar: "Wir müssen die Nachfrage senken."

Von Arne Perras

Dave Lamprecht kennt den Krieg. Er war in Angola, als sich Ost und West auf afrikanischem Boden ihre Stellvertreterkriege lieferten. Er gehörte damals einer südafrikanischen Spezialeinheit an, er kroch aus Amphibienfahrzeugen an den Strand oder robbte durch den Busch, um Kommunisten aus Kuba zu besiegen. Das ist lange her, aber die Erfahrung des Elite-Soldaten ist in seinem Land nun wieder gefragt. Auch wenn er inzwischen an einer ganz anderen Front kämpft.

Lamprecht bildet Wildhüter aus, auch sie lernen, wie man mit automatischen Waffen schießt. Er sagt, dass sie den Nahkampf beherrschen sollten, wenn sie dem Feind einmal Auge in Auge gegenüberstehen. Meist ist der Gegner aber einen Schritt voraus. "Das macht es schwer zu gewinnen", sagt der Ex-Soldat, als er an einem kühlen südafrikanischen Morgen auf dem Schießstand die Munition für das Training des Tages auspackt.

In diesem Krieg kämpfen keine Armeen gegeneinander. Private und staatliche Wildhüter versuchen, Nashörner zu beschützen. Die Ranger tun dies immer öfter mit militärischen Mitteln, weil sich auch der Gegner hochgerüstet hat, der nicht selten mit Schnellfeuerwaffen, Hubschraubern und Nachtsichtgeräten daherkommt. Eine Killer-Maschine durchkämmt den afrikanischen Busch, gesteuert von Mafiabossen in Asien. Dagegen wirkt selbst ein weit entwickelter Staat wie Südafrika hilflos.

Ähnliche Gewinne wie im Drogenhandel

Der Handel mit Nashorn hat sich zu einem der lukrativsten Geschäftszweige des organisierten Verbrechens entwickelt. Spezialisten der südafrikanischen Polizei gehen davon aus, dass die Gewinne ähnlich hoch liegen wie im Handel mit Drogen oder Menschen. Für ein Horn, das vier Kilo wiegt, werden auf dem Schwarzmarkt Preise von mehr als 200.000 Dollar erzielt. Wie man die drohende Vernichtung der Tiere verhindern kann, darüber verhandeln von Sonntag an die Staaten bei der Artenschutzkonferenz in Bangkok. Ähnlich dramatisch sieht es bei den Elefanten aus. Das große Schlachten der Dickhäuter ist in vollem Gange.

Der Nashorn-Krieg wütet am schlimmsten im Krüger-Park, dem ältesten Schutzgebiet Afrikas. Touristen aus aller Welt gehen dort auf Safari und bestaunen die Savanne mit ihrer spektakulären Tier- und Pflanzenwelt. Aber die so oft beschworene Weite Afrikas, die so wichtig ist für die letzten großen Säugetiere - sie könnte nun zu ihrem Verhängnis werden. Der Raum wird zur Falle. Obgleich der Staat Armeeverbände schickt, um die Wildhüter zu verstärken, kommen sie meist zu spät, wenn wieder ein Nashorn in seinem Blut liegt und die Täter über alle Berge sind, fort nach Mosambik.

Der Schmuggel wird aus Asien gesteuert

Ermittler im illegalen Nashorn-Handel wissen, dass der Schmuggel vor allem aus Asien gesteuert wird. Die Bosse binden afrikanische Mittelsmänner ein, die wiederum Fußtruppen aufstellen, häufig haben die Killer früher einmal bei Polizei oder Armee gearbeitet, sie kennen sich mit Waffen aus. Die Syndikate rüsten sie auf, und immer wieder gelingt es den Banden, Tiermediziner, Verwalter oder Wächter aus den Parks zu bestechen. So können sie Betäubungsmittel nutzen und den Tatort ausspähen, bevor sie zuschlagen. Gerade in kleineren Parks ist es unauffälliger, Nashörner zu sedieren, als sie mit großem Kaliber niederzustrecken. Ihnen wird dann das Horn bei lebendigem Leib vom Kopf gehackt.

Es ist die Welt des großen Verbrechens, schmutzig, heimtückisch, gierig - aber manchmal sind auch kleine Wunder zu besichtigen. Was heißt klein: Die Kolosse wiegen fast zwei Tonnen, und als wir uns ihnen nähern an einem regnerischen Nachmittag, grasen sie ohne Panik auf dem Feld. Sie sind umringt von Safari-Autos und einem Heer von Menschen, die ihre Teleobjektive auf die Tiere anlegen. Ein Bulle und eine Kuh. Sie haben den Betrachtern ihre breiten Hinterteile zugewandt, man sieht ihre Köpfe anfangs nicht.

Ziel: Die Nachfrage senken

Aber als sie sich drehen, werden die tiefen Narben auf ihren Nasen sichtbar. Wilderer hatten sich im Dezember 2011 nachts in den Naturpark Fairy Glen, nahe des Kaps, geschlichen, sie betäubten die Nashörner und gingen an ihr grausiges Werk. Es gelingt Tierärzten fast nie, ein so schwer verletztes Tier zu retten. Aber diese beiden haben es geschafft. Dass sie noch Menschen in ihre Nähe lassen, verblüfft.

Noch leben etwa 25.000 Nashörner auf dem Kontinent, die meisten in Südafrika. Seit 2007 aber fielen schon mehr als 1600 den Syndikaten zum Opfer. Allein in den ersten Wochen des Jahres 2013 starben 102 Tiere - 70 im Krüger-Park. Wo aber wird sich dieser Kampf entscheiden? Im afrikanischen Busch, wo die Tiere erlegt und verstümmelt werden? Oder doch eher dort, wo Menschen das Horn der Tiere kaufen? Südafrika pumpt immer mehr Geld in den Kampf gegen die Wilderei, aber damit alleine wird man das Schlachten vermutlich nicht stoppen. Das zumindest bezweifelt Umweltschützer Tom Milliken, der für die Organisation Traffic arbeitet. "Wir müssen daran arbeiten, die Nachfrage zu senken."

Besonders ein asiatisches Land steht am Pranger: Vietnam. Früher waren die großen Abnehmer Japan, Südkorea, Taiwan. Inzwischen hat sich der Bedarf nach Süden verlagert. Und es sieht so aus, als habe das nicht nur mit dem Glauben an die heilende Kraft des Horns zu tun, den es in Asien seit Jahrhunderten gibt. Nashorn verleiht seinem Besitzer Status, es gilt mittlerweile als cooles Mittel in der neureichen Klasse. Wer zeigen möchte, dass er es zu etwas gebracht hat, schüttet sich Nashornpulver in den Drink. Angeblich verhindert das auch einen Kater.

Man muss an Überzeugungen arbeiten

Jüngst verbreitete sich auch noch der Glaube, dass Nashorn einen krebskranken Prominenten geheilt habe. So erklären sich Experten, warum ausgerechnet Vietnam die Nachfrage nach dem Horn so nach oben getrieben hat. Wissenschaftlich ist die Wirkung gegen Krebs nicht zu belegen. Das Horn besteht aus Keratin, so wie menschliche Fingernägel auch.

In Bangkok sollten Beschlüsse gefasst werden, die den Druck auf Vietnam erhöhen, fordern Nashorn-Schützer. Zwar haben Hanoi und Pretoria ein Abkommen geschlossen, um die Nashorn-Händler zu bekämpfen, aber noch ist nicht abzuschätzen, was es bringt. Immer wieder führten Spuren zu vietnamesischen Diplomaten, sie stehen im Verdacht, mitzuverdienen am blutigen Geschäft.

Der Kampf gegen Syndikate ist schwer zu gewinnen. Aber an Überzeugungen könne man überall arbeiten, sagt Milliken. Er deutet auf Japan, Korea und Taiwan, die es in den Achtzigerjahren auch geschafft hätten, die Nachfrage einzudämmen. Warum also nicht Vietnam? "Ich möchte es jedenfalls noch erleben, dass die Leute dort sagen: Nashornpulver? Vergiss es."

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