Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Weltraumklo gesucht

Lesezeit: 3 min

Die Nasa verspricht 35 000 Dollar für Toiletten-Entwürfe, die auf dem Mond und in Schwerelosigkeit funktionieren - keine ganz leichte Aufgabenstellung.

Von Marlene Weiß

Unter den ewigen Klassikern der Raumfahrt-Kommunikation sind nicht nur abgedroschene Sätze wie "Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit" oder, nicht ganz korrekt wiedergegeben, "Houston, wir haben ein Problem". Sondern auch kleine Juwele wie dieses Gespräch, aufgezeichnet 1969 im Mond-Orbit auf der Apollo-10-Mission zwischen Kommandant Thomas Stafford und den Piloten Gene Cernan und John Young.

Stafford: Wer war das? ( Gelächter)

Cernan: Wo kam das her?

Stafford: Gebt mir schnell eine Serviette. Da schwebt ein Kackhaufen durch die Luft.

Young: Ich war das nicht. Das ist keiner von meinen.

Cernan: Ich glaube nicht, dass das einer von meinen ist.

Stafford: Meiner war ein bisschen klebriger.

Vor dem Hintergrund solcher traumatisierenden Erfahrungen muss man die "Lunar Loo Challenge" betrachten, welche die US-Raumfahrtbehörde Nasa kürzlich ausgeschrieben hat: Insgesamt 35 000 Dollar sollen auf die drei besten Vorschläge für ein Toilettendesign verteilt werden, das sowohl in Schwerelosigkeit als auch auf dem Mond funktionieren würde, dessen Anziehungskraft nur etwa ein Sechstel der Erdanziehungskraft beträgt. Auch Kinder und Jugendliche dürfen sich bewerben, ihnen winkt aber nur Nasa-Nippes und eine Urkunde.

Es ist beileibe nicht der erste Versuch, das T-Problem zu lösen. Seit Anbeginn der bemannten Raumfahrt plagt die Frage die Ingenieure, wie mit menschlichen Ausscheidungen umzugehen ist. Die Astronauten im Apollo-Programm nutzten eine Art Plastiktüte, die man sich ans Hinterteil klebte, um sein Geschäft zu erledigen. Die Tüten hatten Ausbuchtungen, in die man einen Finger stecken konnte, um das Exkrement vom Körper zu trennen - ohne Schwerkraft leider kein Selbstläufer.

Anschließend mussten die Astronauten auch noch ein keimtötendes Mittel in die Tüte geben und den ganzen Inhalt gut durchkneten, nicht unbedingt eine erbauliche Tätigkeit, aber sicher besser als die Alternative: die Verdauungsbakterien ihre Gas produzierende Arbeit machen lassen und die Explosion der Tüte riskieren. Aber die Standard-Tüten passten schlecht an individuelle Körperformen; vielleicht ist deshalb einem der Apollo-10-Astronauten das Malheur passiert. Der Urheber der schwebenden Wurst konnte nie identifiziert werden.

Auch das Urinieren war lange ein schwieriges Thema. Da während des Apollo-Programms und seines Vorläufers Gemini noch keine Frauen im Astronautencorps waren, wurde ein einheitliches Urinbeutel-Modell verwendet, der Inhalt wurde im All entsorgt, sofern die Beutel nicht vorher rissen, was auch vorkam. Jim Lovell, später Kommandant des havarierten Mondflugs Apollo 13, soll seine Gemini-7-Mission ins All "wie zwei Wochen in einer Latrine" beschrieben haben.

Inzwischen hat die Technik Fortschritte gemacht, auf der Internationalen Raumstation ISS gab es von Anfang an eine Weltraumtoilette. Aber auch die ist nicht immer ganz unkompliziert in der Benutzung. Wie die US-Wissenschaftsautorin Mary Roach in ihrem höchst unterhaltsamen Buch "Packing for Mars" aus dem Jahr 2011 beschreibt, müssen angehende Astronauten auch ein Toilettentraining absolvieren.

Astronauten trainieren den Toilettengang erst einmal - mit Positionskontrolle per Kamera

Roach durfte den Trainingssitz im Space Center der Nasa ausprobieren: Da die Öffnung nur etwa zehn Zentimeter misst statt rund 45 wie bei einer normalen Toilette, muss man sich gut positionieren, um die richtige Stelle zu treffen, an der das Produkt der Verdauung anschließend unfallfrei abgesaugt werden kann.

Die meisten Anfänger, erfuhr Roach von den Nasa-Ingenieuren, sitzen zunächst zu weit hinten. Das Trainingsklo (das für die übliche Benutzung wohlbemerkt nicht geeignet ist) hat als besonderes Feature zur Positionskontrolle Kamera und Beleuchtung in der Schüssel. Ein Besuch dort dürfte zu den seltsameren Erfahrungen einer an Grenzerlebnissen nicht armen Astronautenkarriere gehören.

Wie Mary Roach erklärt, wäre die sinnvollere Toilette eigentlich das weltweit verbreitete, einfache Modell, das man in der Hocke benutzt. Der Grund: In dieser Position sind die Pobacken weiter voneinander entfernt, was die hygienische Abtrennung von Fäkalien deutlich erleichtert. Nach Roachs Recherchen wurde ein solches Modell der Nasa schon vorgeschlagen, aber abgelehnt: Den meisten Astronauten ist ein vertrauter Toilettensitz offenbar sehr wichtig, Praktikabilität hin oder her.

Aber auch das auf der ISS installierte Wunderwerk der Technik des 20. Jahrhunderts ist von den Annehmlichkeiten der irdischen Version noch recht weit entfernt. So werden feste Hinterlassenschaften weiter in Beuteln gesammelt, und das Modell erlaubt es den Astronauten nicht, in einem Aufwasch Blase und Darm zu entleeren: Gepinkelt wird in eine Art Staubsauger, mit separaten Aufsatztypen für Männer und Frauen.

Kein Wunder also, dass die Nasa sich mit dieser Lösung nicht auf Dauer zufriedengeben will. "Die Frage nach einer zuverlässigen Toilette ist systemrelevant, das gehört im weitesten Sinn schließlich mit zum Lebenserhaltungssystem", sagt Volker Schmid vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Wenn man eine Mondstation aufbauen oder sogar zum Mars fliegen möchte, muss man dafür sorgen, dass man Stoffkreisläufe so weit wie möglich schließt, Wasser und organische Abfälle nach Möglichkeit im Gesamtsystem wiederverwendet werden."

Urin wird schon heute auf der ISS gesammelt und aufbereitet, um Wasser zu sparen. Wozu Fäkalbeutel noch gut sein könnten, hat Matt Damon im Film "Der Marsianer" demonstriert, als er ihren Inhalt zum Kartoffelanbau nutzte.

"Eine Raumfahrttoilette muss robust sein, zuverlässig funktionieren und auf viele Jahre ausgelegt sein, sie sollte auch leicht zu warten und zu reinigen sein", sagt Schmid. Und idealerweise sollte ihr nichts im Spektrum der menschlichen Ausscheidungen fremd sein: Laut Anforderungsprofil der Nasa sollte die Toilette nicht nur simultan flüssige und feste Ausscheidungen aufnehmen können, sondern auch mit 114 Gramm Menstruationsblut pro Tag und Crewmitglied zurechtkommen sowie mit Durchfall oder Erbrochenem. Momentan müssen sich Astronauten bei Anfällen von Seekrankheit im All mit Tüten behelfen.

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