Nasa-Mission Ares I:Rakete ohne Zukunft

Nächste Woche testet die Nasa Ares I. Doch von Vorfreude ist in Cape Canaveral nichts zu spüren. Denn der erste Flug könnte bereits der letzte der neuen Mondrakete sein.

Alexander Stirn

Die Startrampe 39-B in Cape Canaveral bietet derzeit einen ungewohnten Anblick. Zum ersten Mal seit 34 Jahren wartet dort wieder eine einzelne Rakete auf die Zündung ihrer Triebwerke. Wo jahrzehntelang Spaceshuttles mit Außentank und seitlichen Boostern starteten, soll am kommenden Dienstag Ares I, Amerikas neue Mondrakete, zum ersten Testflug abheben.

Die Nasa jubelt über "eine neue Zeitrechnung in der Geschichte der US-Raumfahrt". Von Vorfreude oder großen Erwartungen ist in Florida aber nichts zu spüren. Der Test der kommenden Woche könnte der erste und letzte Flug einer Ares-Rakete sein.

Gerade einmal drei Jahre alt ist das neue Raketenprogramm, mit dem die Amerikaner die Shuttles ersetzen wollten. Die neuen Fluggeräte sollten einst Astronauten und Fracht zur Internationalen Raumstation ISS und darüber hinaus transportieren. Und doch scheint es aus einer ganz anderen Zeit zu stammen.

Einer Zeit, in der George W. Bush noch Präsident war, in der die Nasa ihre Ambitionen auf Mond und Mars richtete und genug Geld für all diese Abenteuer hatte. Heute steht Barack Obama an der Spitze der USA - und das amerikanische Raumfahrtprogramm auf dem Prüfstand.

Entweder ISS oder Ares I

Statt auf die schlanke weiße Rakete, die in den Sümpfen Floridas startklar gemacht wird, richten sich daher alle Augen auf Norman Augustine. Der ehemalige Raumfahrtmanager und Wissenschaftsberater leitet die zehnköpfige Kommission, die sich Gedanken über die Zukunft der US-Raumfahrt machen und dem Präsidenten verschiedene Optionen aufzeigen soll.

Am vergangenen Donnerstag hat sie ihren Abschlussbericht vorgelegt, und die gegenwärtigen Pläne kommen darin nicht gut weg. Vor allem die Zahlen klingen alles andere als ermutigend: Das derzeit veranschlagte Nasa-Budget reicht demnach entweder, um die Lebensdauer der ISS vom Jahr 2015 (bislang das Datum des amerikanischen Ausstiegs aus dem Projekt) bis ins Jahr 2020 zu verlängern oder um Ares I von 2016 an einsatzfähig zu machen.

Beides ist nicht drin. Eine Rakete ohne Raumstation, die sie anfliegen kann, ist aber witzlos - zumal der Flug zum Mond noch weitaus unrealistischer erscheint: Dafür fehlen nach Berechnungen von Augustine und seinen Kollegen 50 Milliarden Dollar. Für Ed Crawley, Professor am Massachusetts Institute of Technology und Mitglied der Kommission, steht daher fest: "Die Ares-I-Option ergibt einfach keinen Sinn."

Während die einflussreichen Senatoren aus den Raumfahrtstaaten Florida, Texas und Alabama, in denen zehntausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen, bereits mehr Geld für die Nasa aushandeln wollen, hält sich das Weiße Haus bedeckt. Frühestens Ende des Jahres ist mit einer Entscheidung zu rechnen.

Tief ins All statt zum Mond

Gerüchten zufolge bevorzugt die Regierung allerdings eine Option, die Norman Augustine mit dem Schlagwort "flexibler Weg" umschrieben hat. Sie sieht vor, nicht nochmal auf dem Mond zu landen, sondern tiefer ins All vorzudringen - zu Asteroiden und den Monden des Mars.

Die alltägliche Arbeit wie der Transport von Astronauten zur ISS, für den eigentlich Ares I vorgesehen war, sollen umgebaute Militärraketen oder Flugkörper privater Firmen übernehmen.

In Cape Canaveral, auf Startrampe 39-B, gehen die Startvorbereitung davon unbeeindruckt weiter - einschließlich der üblichen Superlative: "Dieser Flug ist wahrlich historisch", sagt Missionsmanager Bob Ess. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Test für die Nasa relevant sein wird."

Knapp 100 Meter ist die Testrakete lang, 816 Tonnen bringt sie auf die Waage, mehr als 400 Millionen Dollar hat ihre Entwicklung gekostet. Und doch hat sie wenig mit der Ares I zu tun, wie sie eines Tages ins All starten soll: die Oberstufe, die Kapsel für die Astronauten, das Rettungssystem - alles nur Attrappe.

Selbst die erste Stufe, hervorgegangen aus den Feststoffraketen des Shuttle-Programms, wird nicht den Vorgaben an das Ares-Programm entsprechen; statt aus fünf ist sie nur aus vier Segmenten zusammengesetzt.

All das wird die Flugkurve der Rakete entscheidend verändern. Dennoch hoffen die Ingenieure, aus dem zweieinhalb Minuten langen Testflug wichtige Erkenntnisse ziehen zu können. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die extrem schlanke, auf einem einzigen Feuerstrahl balancierende Rakete überhaupt eine stabile Flugbahn einschlagen kann.

In Simulationen war es immer wieder zu starken Vibrationen gekommen, die die Astronauten an der Spitze einer bemannten Rakete in Gefahr gebracht hätten. Die US-Luftwaffe, für die Sicherheit in Cape Canaveral verantwortlich, befürchtete sogar, die Erschütterungen könnten im Notfall den Selbstzerstörungsmechanismus der Rakete außer Kraft setzen. Komplexe Dämpfungssysteme mussten integriert werden.

Ares I, ursprünglich als billige Baukastenlösung geplant, ist durch solche Unwägbarkeiten immer teuer geworden. Auch der Zeitplan ist durcheinander gekommen. Ursprünglich für 2013 geplant dürfte der bemannte Erstflug nun frühestens 2017 stattfinden.

Am geplanten Testflug ändert das nichts. "Wir werden dabei jede Menge Daten und Wissen gewinnen", hofft Bob Ess. Mehr als 700 Sensoren sollen den Flug, der die Rakete auf 40 Kilometer Höhe bringen wird, im Detail überwachen. Klappt alles, wird die erste Stufe an Fallschirmen Richtung Atlantik schweben, dort von Schiffen geborgen und anschließend analysiert.

Die gewonnen Daten sollen Aufschluss geben, wie nahe an der Realität die vorigen Computersimulationen und die Tests im Windkanal waren. Erkenntnisse, die auch bei der Entwicklung künftiger Raketengenerationen helfen werden. So kann Ares I doch ihren Beitrag zum künftigen US-Raumfahrtprogramm leisten - wie auch immer das aussehen mag.

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