Süddeutsche Zeitung

Nano-Kunst:Die auf einem Haar tanzt

"Vertrauen" nennt ein britischer Künstler diese Frauenskulptur. Vertrauen braucht auch der Betrachter, denn von ihrer Existenz kann sich nur überzeugen, wer ein Elektronenmikroskop zur Hand hat.

"Es ist, als würde man die künstlerische Schallmauer durchbrechen", sagt der britische Künstler Jonty Hurwitz über seine Skulpturen. Denn die Kunst hat sich darin selbst überholt, mit dem bloßen Auge erkennt man höchstens einen Punkt. Die stehende Frauenfigur ist weniger als ein Zehntel eines Millimeters groß, auf einem dickeren Haar, wie im Bild, hätte sie locker Platz (auch wenn sie es dorthin wohl nur per Bildbearbeitung geschafft hat). Auch eine Amor-und-Psyche-Skulptur und eine Gruppe von sieben Frauen gehören zur Serie, sie sind ähnlich winzig.

Entstanden sind sie aus Fotos der Modelle mit einem speziellen 3-D-Drucker am Institut für Mikrostrukturtechnik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT): Ein fokussierter Laserstrahl bringt ein Material dabei Molekül für Molekül zum Erhärten.

"Trust" nennt Hurwitz seine Frauenfigur, "Vertrauen": auch weil man Vertrauen braucht, um an ihre Existenz zu glauben, obwohl man sie nur auf dem Bildschirm eines Elektronenmikroskops sehen kann. Mittlerweile ist noch mehr Vertrauen gefragt: Hurwitz erhielt die Skulptur vom KIT per Post auf einem Glasträger. Leider war der Techniker, der ihm half, sie im Elektronenmikroskop anzuschauen, einen Moment unachtsam. Wo einst das kleinste Menschen-Abbild aller Zeiten stand, ist nun nur ein Fingerabdruck übrig geblieben.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2014/weis
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