Namensforschung in Korea:Zehntausend Kims

Wissenschaftler der schwedischen Universität Umeå haben festgestellt, dass Kim bereits seit 1500 Jahren der dominierende Name in Korea ist. Beständige Nachnamen, so ihr Fazit, sind ein Merkmal stabiler Kulturen. Auf ihr Ergebnis kamen sie ausgerechnet mit Hilfe eines Verfahrens aus der theoretischen Physik.

Christian Weber

Wer in Deutschland einen Kinderspielplatz besucht, kommt gar nicht erst auf die Idee, dass Namen von Personen etwas Beständiges sein könnten: Manche Großeltern wundern sich noch immer über all die Leons und Fynns, die Mias und Linas, die in den Sandkästen buddeln und derzeit obere Plätze in den Statistiken der beliebtesten Vornamen belegen.

Namensforschung in Korea: Nordkoreas Dikatator Kim Jong-Il (erste Reihe, Mitte) trägt einen Nachnamen, der in Nord- und Südkorea schon seit 1500 Jahren am weitesten verbreitet ist.

Nordkoreas Dikatator Kim Jong-Il (erste Reihe, Mitte) trägt einen Nachnamen, der in Nord- und Südkorea schon seit 1500 Jahren am weitesten verbreitet ist.

(Foto: AFP)

Zwar sind Nachnamen schon aus juristischen Gründen deutlich stabiler. Wer aber in Deutschland ins frühe Mittelalter zurückblickt, wird vergebens nach ordentlichen Nachnamen Ausschau halten. Germanische Rufnamen wie Hadubrandt, Siguboto und Ingeburg standen lange Zeit für sich allein. Erst als die Bevölkerungsdichte wuchs, wurden sie mit einem Beinamen belegt, der auf Herkunft, Profession oder körperliche Merkmale rekurrierte: "Altenburger Hans", "Hans der Schmied", der "lange Hans".

Umso mehr verblüffen Ergebnisse aus Korea, die jetzt ein Team von Physikern um Seung Ki Baek und Petter Minhagen von der schwedischen Umeå Universität im Fachblatt New Journal of Physics (online) vorstellt:

Mit Hilfe eines statistischen Verfahrens aus der theoretischen Physik berechneten sie, dass bereits von den 50.000 Menschen, die im Jahre 500 in Korea lebten, 10.000 den Nachnamen Kim trugen. Dieser wäre demnach seit 1500 Jahren der dominierende Nachnamen in dem asiatischen Land, und das, obwohl auch in der koreanischen Frühphase bereits 150 andere Nachnamen zur Verfügung gestanden hätten.

Für ihre Analyse verwendeten die Forscher zehn historische Familienbücher, in denen gemäß der konfuzianischen Tradition der Stammbaum zum Teil mehr als 500 Jahre zurück akribisch dokumentiert wurde.

Mit Hilfe des sogenannten RGF-Verfahrens (Random Group Formation) zeigten die Physiker, dass es eine mathematisch erfassbare Korrelation zwischen der Bevölkerungsgröße in Korea und der Häufigkeit des Namens Kim in den Familienbüchern gibt: Der prozentuale Anteil der Namensträger "Kim" an der absoluten Zahl der Koreaner blieb immer gleich. Dies galt jedoch nicht für die anderen in den Büchern verzeichneten Nachnamen, deren Anzahl mal wuchs, mal sank.

Offenbar bestätigt sich hier eine Regel, die bereits bei RGF-Simulationen in anderen Bereichen gefunden wurde, etwa bei Vokabel-Häufigkeiten in Romanen: Die jeweils größte Gruppe von Elementen verhält sich proportional zur Gesamtgröße des Datenpools. Mit diesem Wissen gelangten die Forscher weitere tausend Jahre zurück in die Vergangenheit, wo sie dann gegen 500 n. Chr. einen zwanzigprozentigen Kim-Anteil errechneten.

Woher kommt diese Kontinuierlichkeit, wenn man bedenkt, dass auch Korea über die Jahrhunderte von zahlreichen politischen Umbrüchen, Naturkatastrophen, Seuchen und demographischen Verschiebungen getroffen wurde?

"Wir spekulieren, dass die Antwort Stabilität heißt", schreiben die Studienautoren. "Vermutlich ist der Kern der koreanischen Kultur über die letzten 1500 Jahre stabil geblieben." Auch als Bevölkerung und Territorium wuchsen, habe diese Kultur andere Einflüsse einfach geschluckt.

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