Süddeutsche Zeitung

Nacktscanner:Entwürdigend und gefährlich

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Aus Sorge vor Terroranschlägen werden an Flughäfen zunehmend Nacktscanner eingesetzt. Einige Geräte, die Röntgenscanner, könnten die Gesundheit der Passagiere gefährden, warnen Ärzte und Piloten.

Christopher Schrader

Ein Typ sogenannter Nacktscanner, wie sie auf amerikanischen Flughäfen und auch in London zur Sicherheitskontrolle eingesetzt werden, gefährdet womöglich die Gesundheit der Passagiere, warnen Ärzte und Piloten.

"Statistisch gesehen wird irgendjemand wegen der verwendeten Röntgenstrahlen Hautkrebs bekommen", sagte Michael Love von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore der Nachrichtenagentur AFP.

Auch die Allied Pilots Association, die die Cockpit-Besatzungen der American Airlines vertritt, warnt inzwischen ihre Mitglieder wegen möglicher Gesundheitsgefahren und der Eingriffe in die Privatsphäre vor dem Körperscan.

Verschiedenartige Scanner, die im Namen der Sicherheit unter die Kleidung der Passagiere blicken, werden zurzeit auf Flughäfen weltweit eingeführt. In Deutschland läuft in Hamburg ein Modellversuch.

Der Flughafen Amsterdam gehörte zu den frühen Anwendern. Und nach Auskunft der amerikanischen Luftsicherheitsbehörde TSA gibt es dort auf 65 Airports 317 entsprechende Geräte; 450 weitere werden zurzeit mit Mitteln des Konjunkturpakets angeschafft.

Zugrunde liegen zwei verschiedene Durchleuchtungs-Techniken. Einige der Geräte, die wie kleine Hütten aus Metall und Glas wirken, verwenden sogenannte Terahertz- oder Millimeterwellen.

Geschlechtsorgane im Mittelpunkt der Diskussion

Physiker beschreiben diese als "sehr hochfrequente Mikrowellen oder sehr sanfte infrarote Wärmestrahlung", weil deren Wellenlänge im Spektrum elektromagnetischer Strahlung zwischen den genannten Bereichen liegt. Diese Wellen werden von der wasserhaltigen Haut reflektiert; Fremdkörper wirken dann wie Schatten. In Deutschland hat sich das Bundesinnenministerium für diese Technik entschieden, auch die Geräte in Hamburg nutzen sie. Es gibt bisher keine ernsthaften Sicherheitsbedenken gegen Terahertz-Wellen, allerdings besteht hierzu noch Forschungsbedarf.

Eine konkurrierende Technik, gegen die sich nun die Kritik richtet, verwendet Röntgenstrahlen. Diese sind weniger energiereich als in medizinischen Geräten, sie gehen nicht durch den Körper hindurch, sondern werden von der Körperoberfläche aufgenommen und reflektiert.

Fluggäste stellen sich in diesem Fall zur Untersuchung zwischen zwei große Schränke. Hersteller, Flughäfen und Behörden vergleichen die dabei verabreichte Strahlenmenge mit der Dosis, die man während eines Linienfluges innerhalb weniger Minuten abbekommt.

Etliche Wissenschaftler halten diese Analogie aber für irreführend. "Der Großteil der Energie der Strahlen wird von der Haut und dem unmittelbar darunter liegenden Gewebe aufgenommen", warnten im April dieses Jahres vier Experten für Krebs und Röntgenstrahlung der University of California in San Francisco. "Die Dosis wäre sicher, würde sie im gesamten Körper absorbiert, aber in der Haut ist sie gefährlich hoch", schrieben die vier an das Weiße Haus.

Sie nennen potentielle Risikogruppen: alte Menschen, Kinder, Schwangere, Frauen mit einer genetisch bedingten Disposition zu Brustkrebs sowie alle Männer, weil deren Geschlechtsorgane sehr dicht unter der Haut liegen.

Geschlechtsorgane stehen auch aus einem weiteren Grund im Mittelpunkt der Diskussion über die Nacktscanner: Die Geräte bilden den unbekleideten Körper detailreich ab. So kursieren bereits Geschichten von Angestellten, die Körperbilder eines Filmstars ausgedruckt und herumgezeigt haben sollen.

An einem amerikanischen Flughafen sind Sicherheitsleute angeblich in eine Schlägerei geraten, nach einer abfälligen Bemerkung über den Penis des anderen. Immer wieder ist auch zu hören, attraktive Frauen würden besonders häufig "zufällig" für die Körperscans ausgewählt.

Sie greifen, grapschen und stoßen

Wer sich diesem Eingriff in die Privatsphäre nicht unterziehen möchte, hat zumindest in den USA - anders als zum Beispiel am Londoner Flughafen Heathrow - das Recht, auf das manuelle Abtasten zu bestehen. Allerdings schreibt die Luftsicherheitsbehörde in diesem Fall eine Verschärfung vor, den sogenannten "extended patdown".

Ein Angestellter vom gleichen Geschlecht durchsucht den Passagier und verwendet dazu die Handflächen statt wie bisher die Handrücken. "Sie konzentrieren sich auf den Bereich zwischen den Oberschenkeln und dem Torso", beschreibt es der Jet-Express-Airlines-Pilot Michael Roberts in CNN. "Und sie tasten nicht nur die Arme und Beine ab, sie greifen und grapschen und stoßen ziemlich aggressiv zu."

Dennoch rät die Vereinigung der American-Airlines-Piloten ihren Mitgliedern, sich lieber dieser "entwürdigenden Erfahrung" auszusetzen als den Röntgenstrahlen.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2010
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