Nachruf:Star der Statistik

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Hans Rosling, geboren 1948 in Uppsala war Professor für Internationale Gesundheit am Karolinska Institut in Stockholm und Direktor der Gapminder-Stiftung. (Foto: Jorgen Hildebrandt/dpa)

Hans Rosling war ein begnadeter Kommunikator. Wenn es sein musste, schluckte der Forscher bei Vorträgen auch mal ein Schwert, um komplexe Zusammenhänge greifbar zu machen. Nun ist der Schwede im Alter von 68 Jahren gestorben.

Von Kai Kupferschmidt

Wie viele Kinder bekommen Frauen in Bangladesch im Durchschnitt? Das ist die Art Frage, die der Statistiker Hans Rosling stellte. Die meisten Menschen tippen auf vier oder fünf, tatsächlich sind es 2,2. "Das Problem ist, dass weder die Schulen in Nordamerika und in Europa noch die Medien ein Bild der Welt vermitteln, das auf Fakten basiert", sagte Rosling. Gegen diese Ignoranz kämpfte der Schwede sein Leben lang mit Fakten und Humor - und wurde damit berühmt. Seine Videos wurden online von Millionen gesehen, Bill Gates, Mark Zuckerberg und Fidel Castro fragten ihn um Rat; mit seinen Vorträgen verdiente er mehr als eine halbe Million Euro im Jahr. Am Dienstag ist "der Rockstar der Datenvisualisierung" im Alter von 68 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben.

Rosling sammelte früh Erfahrungen in armen Ländern der Welt. 1981 saß er als junger Arzt in Mosambik plötzlich einer Schlange von 30 Frauen und Kindern gegenüber, deren Beine gelähmt waren. "Ich hatte dieses große Neurologiebuch und ihre Krankheit war da nicht drin." Einige Wochen vorher war ein südafrikanisches U-Boot in einer Bucht beobachtet worden. Es schien möglich, dass es sich um einen Angriff mit Biowaffen handelte. Weil er nicht ausschließen konnte, dass die Krankheit infektiös ist, sperrte die Regierung Mosambiks die wichtigste Straße in der Region. Menschen starben, weil sie versuchten, die Blockade zu umgehen. "Ich habe da gestanden und die Leichen von 18 Frauen und Kindern gesehen, die wegen dieser Straßensperrung gestorben sind", sagte er. "Das lässt Sie nicht wieder los. 18 Leichen von Menschen, die Sie getötet haben."

Es dauerte zwei Wochen, bis klar war, dass die Krankheit nicht ansteckend, sondern durch giftige Stoffe in Maniokwurzeln verursacht worden war. Rosling schrieb seine Doktorarbeit über die Krankheit, die Konzo heißt. Später wurde er Professor für Weltgesundheit am renommierten Karolinska-Institut in Stockholm.

Ein Ted-Talk, in dem er am Ende ein Schwert schluckte, machte ihn 2006 zur Internet-Sensation. Seither ist das Video mehr als elf Millionen Mal angesehen worden. Es folgten Vorträge auf der ganzen Welt, Dokumentationen in der BBC, große Aufmerksamkeit und Anerkennung. Dennoch klagte Rosling häufig, wenig bewegt zu haben in der Welt.

Wenn sich die Chance zu handeln bot, ergriff er sie. Im Herbst 2014 sagte er alle Termine ab, verabschiedete sich von seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln und flog nach Liberia, um bei der Bekämpfung von Ebola zu helfen. Er blieb mehrere Monate. Mit seiner Unterstützung verbesserte das Gesundheitsministerium die Erfassung von Kranken und Verdachtsfällen.

Die meisten Menschen würfen alle Entwicklungsländer in einen Topf, sagte Rosling. Dabei seien die Unterschiede riesig. Auf der Welt lebten 1,5 Milliarden Menschen mit Glühbirne und Waschmaschine, vier Milliarden lebten nur mit der Glühbirne und 1,5 Milliarden hätten weder das eine noch das andere, sagte er oft. Die Bevölkerung in Liberia, Sierra Leone und Guinea fällt in die letzte Kategorie. "Das ist ein Grund, dass es hier zu einem derart großen Ebola-Ausbruch kommen konnte."

Roslings Gefühl, er habe wenig verändert, sei allenfalls teilweise zutreffend, sagt Seth Berkley, der die Impfstoffallianz Gavi leitet. "Er hat vielleicht keine große Forschung gemacht oder neue Daten generiert, aber er war brillant darin, komplizierte Sachverhalte herunterzubrechen", sagt Berkley. "Er hat einer ganzen Generation beigebracht, anders zu kommunizieren." Und am Ende werde das die Welt verändern.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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