Süddeutsche Zeitung

Klimakolumne:Nicht der Müll ist das Problem

Wir werfen nicht zu viel weg, wir stellen zu viel her. So wird das nichts mit der Kreislaufwirtschaft.

Von Thomas Hummel

Die Geschichte meiner Privatfehde mit unserem Müll begann damit, dass ich mich beim Metzger um die Ecke immer gefragt habe, warum meine Salami drei Mal eingepackt werden muss. Erst legten die Verkäuferinnen um die 120 Gramm Wurst eine Plastikfolie, dann wickelten sie es in Papier ein, um das Paket danach in eine Papiertüte zu schieben. Und wenn ich nicht aufpasste, zwängten sie das Ganze am Ende in eine Plastiktüte. Mit schönen Grüßen an unseren Mülleimer. Zuhause wühlte ich mich durch die Verpackungen bis zur Wurst. Ich legte die eingekauften Lebensmittel links auf einen Haufen und den eingekauften Verpackungsmüll rechts. Der Haufen rechts war wesentlich größer. So konnte es nicht weitergehen.

Und damit vom Kleinen zum Großen: In deutschen Haushalten sammelten sich zuletzt 39,6 Millionen Tonnen Müll, 476 Kilogramm pro Person. Rechnet man alles zusammen, produziert Deutschland die unvorstellbare Menge von 416 Millionen Tonnen Müll (Stand 2019). Natürlich sind Salamiverpackungen nur ein kleiner Teil davon: Mehr als die Hälfte entsteht in der "Bau- und Abbruchwirtschaft".

Wie soll das auf Dauer gut gehen? Die Sachen müssen ja alle hergestellt und entsorgt werden. Dazu benötigt man oft fossile Brennstoffe wie bei Plastik, und jede Menge Energie und Wasser. Die schönen Ziele, den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität aufzuhalten, sind so kaum zu erreichen. Nun bildet sich Deutschland bekanntlich ein, bei der Mülltrennung vorne dabei zu sein, auch beim Recycling. Das stimmt, rund zwei Drittel der Siedlungsabfälle werden recycelt, das ist im europäischen Vergleich gut. Doch das Problem ist damit leider längst nicht gelöst.

Das "anthropogene Lager" wächst und wächst

Denn nur etwa zwölf Prozent aller in Deutschland genutzten Rohstoffe kommen derzeit aus der Wiederverwertung. Selbst wenn man alle Stoffe recyceln würde, bei denen das technisch möglich ist, käme man laut einer Studie des Naturschutzbundes Nabu nur auf 22 Prozent. Das zentrale Problem ist, dass wir viel mehr Dinge herstellen als wir wegwerfen, und damit das sogenannte "anthropogene Lager" immer weiter auffüllen. Um das zu verändern, müsste die Weltwirtschaft eine gigantische Transformation hinlegen: Vom unbegrenzten Ressourcenverbrauch hin zu einer Kreislaufwirtschaft, in der nicht mehr Rohstoffe abgebaut werden, als natürlich nachwachsen.

Womit ich wieder bei meinem Metzger wäre. Ich brachte eigene Behältnisse mit und bat die Verkäuferinnen, die Wurst direkt dort reinzulegen. Die mussten sich erst mal erkundigen, ob sie das dürfen. Ich spürte die Blicke der anderen Kunden hinter mir in der Schlange und es war mir anfangs peinlich. Auch der Bekanntenkreis reagierte gemischt: Die einen fanden es gut, die anderen hielten mich für einen Spinner. Doch man gewöhnt sich dran. Inzwischen bringe ich die Boxen auch zum Restaurant für das Essen to go oder zum Bäcker, die Verkäuferinnen kennen mich und begrüßen mich überall mit Namen. Unsere Gefrierbeutel nutze ich im Supermarkt für Obst und Gemüse. Größere Plastik-Verpackungen werden als Müllbeutel zweitverwendet. Und was mich sehr freute: Der Metzger bietet inzwischen sogenannte Umwelt-Boxen zur Wiederverwertung an.

Auch wenn uns das kaum mehr betrifft. Unser Kind sah im Religionsunterricht einen Film über einen Hühner-Schlachthof und isst seitdem nur noch vegetarisch. Der Metzger muss nun fast ganz auf uns verzichten.

Die Welt rette ich damit nicht, nicht einmal das deutsche Müll-Problem wird gelöst. Aber unser Hausmüll hat sich gefühlt halbiert. Und irgendwo fängt man halt an, oder? Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, praktische Ideen zur Müllvermeidung haben, schreiben Sie uns gerne an klimafreitag@sz.de.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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