Biologie:Gestatten: das einzige bekannte Insekt, das in der Antarktis heimisch ist

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Belgica antarctica, ein Tier mit erstaunlichen Fähigkeiten. (Foto: Yuta Shimizu / Osaka Metropolitan University)

Die Mücke kann auf dem eisigen Kontinent nur überleben, weil sie sich in einem ausgeklügelten Mechanismus mehrfach einfrieren lässt.

Von Vera Schroeder

In der Antarktis leben nicht nur Pinguine, es gibt sogar Insekten. Belgica antarctica heißt das einzige bisher bekannte Insekt, das dauerhaft auf dem eisigen Kontinent heimisch ist. Entdeckt wurde die zwei bis sechs Millimeter große flügellose Mücke 1898 während einer Expedition des belgischen Forschungsschiffes Belgica. Für die Wissenschaft ist vor allem die Fähigkeit der Larven interessant, sich quasi bei lebendigem Leibe und über viele Monate einfrieren zu lassen. Man hofft, über die Erforschung dieser Mechanismen neues Wissen zu Themen wie Kryokonservierung zu gewinnen, also die Langzeitlagerung von Zellen im eingefrorenen Zustand zum Beispiel in vielen Bereichen der Medizin.

Nun hat ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung der Osaka Metropolitan University wichtige neue Erkenntnisse zur Einfrierkunst der antarktischen Mücke veröffentlicht. Das Team fand heraus, dass der zweijährige Lebenszyklus der Mücke beziehungsweise ihrer Larven von zwei in ihrem Mechanismus unterschiedlichen mehrmonatigen Ruhephasen geprägt ist, die das Überleben unter den widrigen Bedingungen im antarktischen Eis überhaupt erst möglich machen. Wenn es über die Wintermonate richtig kalt wird, stellen die Tiere ihre Aktivität ein. Erst nach zwei winterlichen Ruhephasen verpuppen sich die Larven, schlüpfen und überleben als erwachsene Mücken einige wenige Tage, in denen sie sich paaren müssen. Ein neuer Zyklus beginnt.

Die vier klassischen Entwicklungsstadien einer Mücke vom Ei über die Larve zur Puppe bis zur Mücke finden also angepasst an kurze Vegetationsphasen und sechs bis neun Monate lange, kalte Winter statt. In ihrem ersten Winter fallen die gerade heranwachsenden Larven in ein Ruhestadium mit verminderter Stoffwechselaktivität, das unmittelbar durch die unwirtlichen Bedingungen und sinkenden Temperaturen ausgelöst wird und schnell und spontan enden kann, sobald es wärmer wird. Die Larven entwickeln sich also maximal effektiv weiter, sobald es die Temperaturen zulassen. Man spricht von einer „Quieszenz“.

Pünktlich zum Sex wird aufgetaut, verpuppt und geschlüpft

Nach ihrer Weiterentwicklung im kurzen folgenden Sommer treten die Larven im zweiten Winter erneut in eine Ruhephase ein, die diesmal allerdings wohl genetisch bedingt und weniger flexibel ist. Auch diese Entwicklungspause ist an die antarktischen Bedingungen angepasst, aber sozusagen in den Bauplan der Mücke eingeprägt, sodass alle synchron fertig werden. Diese Art der Entwicklungsunterbrechung nennt sich „obligate Diapause“. Erst im nächsten Sommer mit der Schneeschmelze verpuppen sich die Larven, um wenig später alle gleichzeitig als erwachsene Mücken zu schlüpfen. Diese Gleichzeitigkeit scheint überlebenswichtig zu sein, damit das mit der Paarung im kurzen Erwachsenenleben auch klappt.

„Wir waren in der Lage, eine Methode zur Aufzucht der antarktischen Mücke über einen Zeitraum von sechs Jahren zu entwickeln, um einige ihrer bemerkenswerten Anpassungsmechanismen an die Umwelt herauszufinden“, erklärt Hauptautorin Mizuki Yoshida in einer Pressemeldung zur Studie. Viele Fragen zum Leben der eisigen Mücke seien aber weiterhin auch noch offen.

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