Biologie:Das Geheimnis der Monogamie

Gibbon-Wohngemeinschaft in der Wilhelma

Ein Gibbonmänchen (rechts) bringt seiner Partnerin Futter.

(Foto: Wilhelma Stuttgart/dpa)
  • Biologen haben bei verschiedenen Tierarten Gengruppen entdeckt, die möglicherweise monogames Verhalten steuern.
  • Im Tierreich ist Monogamie eher selten. Paarbindungen sind etwa bei der Präriewühlmaus, dem Pfeilgiftfrosch oder Gibbons belegt.
  • Während der Evolution ist die Monogamie vermutlich mehrfach entstanden.

Von Anke Fossgreen

So unterschiedlich die Präriewühlmaus, der Bergpieper, der Pfeilgiftfrosch Ranitomeya imitator und der Buntbarsch Xenotilapia spiloptera daherkommen, so ähneln sie sich in einem Verhalten: Sie sind monogam. Nun haben amerikanische Forscher den Männchen quasi ins Gehirn geschaut und Erstaunliches entdeckt. Das Team hat anhand zweier Hirnregionen dieser Wirbeltiere versucht, das Geheimnis der Monogamie zu lüften.

Die untersuchten Tiergruppen - Säugetiere, Vögel, Amphibien und Fische - haben sich vor vielen Jahrmillionen unabhängig voneinander entwickelt. Und einige der Arten darunter leben monogam. Diese Form des Zusammenlebens ist offenbar mehrfach während der Evolution entstanden. Überraschend ist deshalb, dass offenbar stets ganz ähnliche Gruppen von Genen in den Gehirnen der untersuchten monogamen Tierarten aktiv sind. Es handelt sich dabei "um 24 bis 150 Gene", sagt Rebecca Young von der University of Texas in Austin, die zusammen mit Kollegen die Studie durchgeführt und die Ergebnisse im Fachjournal PNAS veröffentlicht hat.

Warum ist die Einehe bei Amphibien so selten, unter Vögeln dagegen die Regel?

Es könnten diese Gengruppen sein, die das unterschiedliche Verhalten von monogamen Tieren gegenüber polygamen ausmachen. So sind monogam lebende Männchen in der Regel weniger aggressiv gegenüber den Weibchen, sie verteidigen ihr Territorium aber aggressiver - und sie beteiligen sich intensiver an der Aufzucht der Jungen. Zum Beispiel helfen die Männchen der in Peru heimischen Pfeilgiftfrösche - die sich lediglich mit einem Weibchen paaren - ihrer Partnerin bei der Aufzucht der Jungen. Sie schleppen sogar die Kaulquappen auf ihrem Rücken herum. Bei einer polygamen verwandten Art dagegen, dem Erdbeerfrosch (Oophaga pumilio), tragen die Weibchen die Hauptlast der Brutpflege.

Der Populationsgenetiker Gerald Heckel von der Universität Bern findet die Studie "außerordentlich interessant". Die US-Forscher haben einen vollkommen neuen Ansatz verfolgt, indem sie die Gene verschiedener Tiergruppen verglichen haben. Heckel stört sich jedoch am Begriff "Monogamie". Darunter sei eben nicht die lebenslange Treue zu verstehen. "Auch der Mensch gilt in der Regel als monogam", sagt der Forscher. Dabei haben Menschen oft mehrere Paarbeziehungen - meist nacheinander. Es sei besser, von "Paarbindung" zu reden.

"Je nach Tierart kann die Monogamie unterschiedlich ausgeprägt sein", sagt Dieter Lukas vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Lukas geht davon aus, dass es verschiedene Stadien gibt, in denen sich monogame Paarbeziehungen entwickeln. So beschränkt sich beispielsweise die Monogamie bei den afrikanischen Zwergantilopen, den Dikdiks, darauf, dass sich das Männchen ein Weibchen sichert.

"Wenn das Weibchen durch seinen Urin signalisiert, dass es empfängnisbereit ist, dann pinkelt das Männchen darüber", sagt Lukas. Konkurrenten haben damit keine Chance, das paarungsbereite Weibchen zu erschnüffeln. Viel weiter geht die Zuwendung allerdings nicht.

Deutlich enger verbunden sind indes die Präriewühlmäuse. Sie gelten als Paradebeispiel in der Verhaltensforschung für eine treue und lebenslange Partnerschaft - bei einer zweijährigen Lebenserwartung. Anders als bei der Zweckgemeinschaft der Dikdiks kuscheln nämlich die Präriewühlmäuse häufig miteinander.

Im Tierreich ist Monogamie die Ausnahme

Generell kommt die Monogamie in den meisten Tiergruppen nur sporadisch vor. Bei Amphibien und Fischen ist sie eine Rarität, von den Säugetieren leben nur höchstens fünf Prozent in langen Paarbeziehungen. Hingegen ist die Einehe bei mehr als 90 Prozent der Vogelarten die Regel.

Warum profitieren manche Tierarten von einer stabilen Partnerschaft und andere nicht? Das habe etwas mit der Umwelt und den Ressourcen zu tun, sagt der Berner Forscher Heckel.

Der einzige Zweck der Paarbildung sei, möglichst viele Junge großzuziehen. Vögel benötigen dafür ausgedehnte Territorien, welche die dafür nötige Nahrung liefern. Zudem ist bei ihnen sowohl das Brüten als auch die Fütterung der Küken einfach auf beide Partner zu verteilen. Bei Säugetieren hingegen trägt das Weibchen die Jungen im Bauch und versorgt sie mit Milch.

Monogamie ist nicht identisch mit Treue

Monogamie lohnt sich aber auch für Säugetiere, wenn die Ressourcen knapp sind. Ein Beispiel dafür sind die in Südostasien heimischen Gibbons. Die Primaten leben monogam in einem engen Gruppenzusammenhalt. Nur so können sie die spärliche Nahrung optimal nutzen. Ist hingegen reichlich Futter vorhanden, können sich Männchen einen Harem leisten, wie etwa die Löwen.

Und der Mensch? Der Ursprung der Monogamie könnte beim Homo sapiens einzigartig sein, mutmaßten Frans de Waal von der Emory University in Atlanta und Sergey Gavrilets von der University of Tennessee in Knoxville vor einigen Jahren in der Fachzeitschrift PNAS. Möglich sei, dass bei der menschlichen Monogamie statt genetischen eher kulturelle Faktoren die Auslöser waren. Eine Idee ist, dass dauerhafte Paarbeziehungen in einer Gesellschaft die Männer untereinander gleichstellt und so die Kooperation in der Gruppe fördert.

Könnte man auch im menschlichen Gehirn ein ähnliches Genmuster entdecken wie bei den monogamen Tierarten, welche die US-Forscher untersucht haben? "Das ist durchaus möglich", sagt Hans Hofmann von der University of Texas, Co-Autor der aktuellen Studie. Man müsste dazu menschliche Gehirnproben untersuchen und mit solchen von Schimpansen, die polygam leben, vergleichen. Aber Monogamie sei nicht identisch mit Treue, stellt Hofmann klar. Auch bei Tieren kommen Seitensprünge vor.

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