Robotische Mondmissionen klingen fast schon unspektakulär, in einer Zeit, in der Menschen zum Mars fliegen sollen. Doch die Bruchlandungen von japanischen, russischen und israelischen Mondsonden haben gezeigt, dass der Mond ein sprichwörtlich hartes Pflaster ist. Woraus seine Rückseite wirklich gemacht ist, soll die chinesische Mondmission Chang’e-6 herausfinden. Samstagnacht ist ihr die Landung geglückt, Dienstagmorgen der erneute Start – schon das ist bemerkenswert. Ohne bremsende Atmosphäre und ohne direkte menschliche Steuerung ist es schwierig, sanft aufzusetzen. Die erste erfolgreiche Landung auf der Mondrückseite überhaupt gelang erst 2019 der Mission Chang’e-4.
In der Natur der Mondrückseite liegt es, dass dort kein direkter Funkkontakt zwischen Erde und Sonde möglich ist. Ein Relais-Satellit im Mondorbit hat deshalb die Kommunikation übernommen. Der obere Teil des Landers von Chang’e-6 besteht aus einem Vehikel, das wieder von der Mondoberfläche abgehoben ist und nun an einen Orbiter andockt, der den Mond umkreist. Dort verlädt es die Proben in eine Raumkapsel, welche dann zur Erde zurückfliegt. Landen soll sie voraussichtlich um den 25. Juni im nördlichen China.
Als eine von vier Nutzlasten war auch ein Instrument von der europäischen Raumfahrtagentur Esa an Bord der Chang’e-6. Das vom schwedischen Weltrauminstitut mitentwickelte „Negative Ions on the Lunar Surface“ (NILS) soll untersuchen, wie sich die Mondoberfläche verhält, wenn sie Sonnenwinden ausgesetzt ist.
Chang’e-6 ist im Apollokrater gelandet, einem der größten Krater des Mondes und Teil des Südpol-Aitken-Beckens. Das Gestein, das die Mission von dort mitbringt, soll Wissenschaftlern neue Details darüber liefern, wie Mond und Erde entstanden sind. „Das Südpol-Aitken-Becken ist ein riesiges Becken. Hier gab es vor langer Zeit einen Einschlag, der den größten Teil der Kruste abtrug, sodass wir so nahe wie möglich am Mondmantel gelandet sein dürften“, sagte Sylvestre Maurice, ein Astronom von der Universität Toulouse, der an der Mission beteiligt war, der Nachrichtenagentur Xinhua.
Es wäre das erste Mal, dass Proben von der Mondrückseite analysiert werden können. Dafür bohrte Chang’e-6 nach der Landung in den Mondboden und sammelte mit einer Schaufel Gesteinsbrocken von der Oberfläche auf, bis zu zwei Kilogramm. Eine besondere Herausforderung sind die extremen Temperaturen: Im Verlauf des 15-tägigen Mondzyklus steigen diese auf bis zu 121 Grad Celsius am Äquator und bleiben in dauerhaft schattigen Regionen bei minus 267 Grad Celsius.
Tatsächlich ist die Rückseite des Mondes topografisch ganz anders als die Vorderseite. Dort, auf der von der Erde sichtbaren Seite, bedecken Tiefebenen aus erstarrter Lava etwa 30 Prozent der Fläche. Die erdabgewandte Seite hingegen prägen zahlreiche Anstiege und Hochebenen. 16 Kilometer Höhenunterschied trennen das Kraterbecken, in dem Chang’e-6 gelandet war, und die Spitzen des benachbarten Hochlands. In den zahlreichen Kratern vermuten Forschende gefrorenes Wasser, das dauerhaft im Schatten liegt. Dieses soll für zukünftige astronautische Mondmissionen nützlich werden, um daraus Sauerstoff zu gewinnen. In den 2030er-Jahren will die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA gemeinsam mit Russland Menschen auf den Mond schicken. Auch die US-Weltraumbehörde Nasa möchte bis dahin eine Mondbasis errichten.