Süddeutsche Zeitung

Mondforschung:Der Mond ist feucht

Von wegen staubtrocken: Wissenschaftler haben entdeckt, dass es Wasser auf dem Mond gibt. Wie feucht der Trabant wirklich ist, ist allerdings noch unklar.

Alexander Stirn

Die Hinweise waren da, man hätte sie nur beachten müssen: Als Mondforscher vor 40 Jahren im US-Raumfahrtzentrum Houston jene Bodenproben öffneten, die Apollo-Astronauten zurück zur Erde gebracht hatten, entdeckten sie darin zu ihrer Verwunderung Spuren von Wasser.

Mythos staubtrockener Ort

Offensichtlich, so wurde seinerzeit vermutet, hatte das schwüle texanische Klima das nur unzureichend verschlossene Mondgestein kontaminiert. Der Mythos vom Mond als staubtrockener Ort war geboren. Doch das war offensichtlich ein Fehler, wie neue Forschungsergebnisse zeigen.

Gleich drei Raumsonden haben unabhängig voneinander Spuren von Wasser auf dem Mond entdeckt - und zwar nicht an einzelnen Stellen, sondern über dessen gesamte Oberfläche Verteilt. "Angesichts der neuen Erkenntnisse muss die Idee, der Mond sei trocken, überdacht werden", forderte Paul Lucey, Planetenforscher an der Universität Hawaii, im Fachmagazin Science. "Er ist es einfach nicht." Schon träumen Raumfahrer davon, mit dem Wasser auf dem Mond künftige Kolonien zu versorgen. Auch Sauerstoff zum Atmen und Wasserstoff für Raketenantriebe könnte daraus gewonnen werden - zumindest in der Theorie.

Bei der Vermutung, dass es Wasser auf dem Erdtrabanten geben könnte, standen bislang allenfalls die beiden Polregionen des Mondes in Verdacht. Dort, in tiefen Krater, die niemals von der Sonne beschienen werden, könnte sich Eis Millionen Jahre lang gehalten haben.

Erst in der vergangenen Woche hatte die Nasa-Sonde Lunar Reconaissance Orbiter am Südpol des Mondes Hinweise auf Wasserstoff entdeckt. Eine endgültige Bestätigung steht aber noch aus. Diese könnte aber in zwei Wochen kommen, wenn die amerikanische LCROSS-Sonde am Südpol einschlagen wird. Die Mondforscher hoffen, dass bei der absichtlichen Kollision große Mengen Eis herausgeschleudert werden, die anschließend analysiert werden können.

Auf der nächsten Seite: Wie Mondwissenschaftler auf den mysteriösen Wasserfund reagiert haben.

Doch selbst wenn es an den Polen Eis geben sollte: Die jetzt gefundenen Wasserspuren sind von ganz anderer Qualität: Sie sind offenbar allgegenwärtig auf dem Mond. Entdeckt hat sie Chandrayaan-1, Indiens erste Mondsonde.

An Bord des Raumfahrzeugs, das vor wenigen Wochen nach einem technischen Defekt seinen Betrieb einstellen musste, befand sich eine Nasa-Kamera, die die Mondoberfläche im infraroten Licht absuchte. Dabei stießen die Forscher auf optische Fingerabdrücke, die nur von Wasser und den damit verwandten Hydroxylradikalen stammen können.

"Das ist doch lächerlich"

Wasser überall auf dem Mond? "Unsere erste Reaktion war: Das ist doch lächerlich", erinnert sich Carlie Pieters, die als Planetologin der Brown University in Rhode Island die Kamera an Bord von Chandrayaan-1 betreute. "Monatelang haben wir in unseren Daten nach dem möglichen Fehler gesucht." Pieters und ihr Team wurden allerdings nicht fündig. In der Not schauten sie nach, was andere Raumfahrzeuge gemessen hatten.

Sie untersuchten Mondbilder, die die Cassini-Sonde 1999 auf ihrem Weg zum Saturn gemacht hatte. Und sie baten das Team der Sonde Deep Impact, die zurzeit unterwegs zum Kometen Hartley 2 ist und in diesem Sommer am Mond vorbei flog, um Unterstützung. Beide Raumschiffe konnten die mysteriösen Wasserfunde bestätigen.

Deep Impact zeigte sogar, dass die Wasserkonzentration im Boden vom Stand der Sonne abhängt - für die Mondforscher ein Hinweis darauf, wo das Wasser herkommen könnte: Offensichtlich bricht der Sonnenwind, ein Strom geladener Teilchen, die Molekülbindungen im Mondgestein auf. Der darin gespeicherte Sauerstoff reagiert anschließend mit den geladenen Wasserstoffteilchen aus dem Sonnenwind zu Wasser. Die Aufnahmen der Sonden deuten zudem darauf hin, dass das Wasser langsam in Richtung der Pole wandert und sich dort - wie zuvor schon vermutet - ansammelt.

Keine Seen oder Eisflächen

Eine Aufforderung, bei der nächsten bemannten Mondmission die Wasserpumpen einzupacken, ist das allerdings noch nicht: Wie viel Wasser auf der Oberfläche des Erdtrabanten zu finden ist, können die Wissenschaftler nicht exakt angeben. "Es sind sicherlich keine Seen oder Eisflächen, wir reden vielmehr über einzelne Moleküle", sagt Jessica Sunshine von der Universität Maryland, die die Deep Impact-Aufnahmen ausgewertet hat. Ersten Berechnungen zufolge könnte eine Tonne Mondgestein jedoch mehr als 900 Gramm Wasser enthalten.

Da die Infrarotkameras der Sonden nun die Vorgänge an der Oberfläche wahrnehmen, ist es allerdings gut möglich, dass sich das feuchte Element auf die obersten Millimeter des Mondbodens beschränkt. Dann müsste für einen Liter Mondewasser bereits die Fläche eines Fußballfeldes abgetragen werden - was es zu einer sehr aufwändigen Angelegenheit machen würde, den Durst möglicher künftiger Mondbesatzungen zu löschen.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2009
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