Süddeutsche Zeitung

Sonnensystem:Kein Mann auf dem Mond

Auch nach 50 Jahren Raumfahrt bleibt völlig unklar, was Menschen im Weltraum oder gar auf dem Erdtrabanten sollen.

Kommentar von Marlene Weiß

Für den Generaldirektor der europäischen Raumfahrtbehörde Jan Wörner fand die Bescherung in diesem Jahr schon Ende November in Sevilla statt, bei der Ministerkonferenz der 22 Esa-Mitgliedsstaaten. Dort wurde beschlossen, wie viel Geld in den kommenden Jahren in Esa-Projekte fließen soll: zwölfeinhalb Milliarden Euro, deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. "Vor Ihnen sitzt ein glücklicher Direktor", sagte Wörner, offenbar bester Laune, bei der anschließenden Pressekonferenz.

Einerseits sei ihm die Freude gegönnt. Die Esa leistet mit dem Copernicus-Satellitenprogramm herausragende Arbeit in der Beobachtung von Erde und Klima, und diese wichtigen Projekte werden künftig mit noch mehr Geld gestärkt. Aber ein weiterer Schwerpunkt der Finanzierungsrunde liegt auf der bemannten Raumfahrt, auch zum Mond.

Na und? In der Natur des Menschen liegen auch Egoismus und eine gewisse Neigung zu Rassismus

US-Präsident Donald Trump will partout im Jahr 2024 - in seinen Plänen fällt das gerade noch in seine zweite Amtszeit - Astronauten auf dem Mond sehen. Das dafür zuständige Artemis-Programm der Nasa soll aber nicht nur eine Stippvisite auf dem Erdtrabanten organisieren, sondern gleich seine Kolonialisierung. In den Zwanzigerjahren soll mit dem "Lunar Gateway", ein Überbleibsel von Plänen der Obama-Administration, eine feste Raumstation in einer Mondumlaufbahn etabliert werden. Sie soll als Basisstation für weitere Fahrten zu Mond und Mars dienen. Bis 2028 soll es eine feste menschliche Präsenz auf dem Mond geben.

Und die Esa macht munter mit bei diesem Größenwahn. Zwei Module will die Esa zum Lunar Gateway beitragen, den selbst viele Befürworter einer Mondlandung für teuer und nutzlos halten. Weiteres Geld fließt in die Entwicklung des Orion-Raumschiffs zum Transport von Menschen ins All, das die Esa gemeinsam mit der Nasa baut. Auch von einem Monddorf, in dem Menschen und Roboter arbeiten sollen, träumt man bei der Esa.

Dabei bleibt auch nach 50 Jahren bemannter Raumfahrt völlig unklar, was Menschen auf dem Mond oder sonstwo im All sollen. Viel Konkretes fällt den Fans nicht ein: Entdeckungsreisen lägen in der Natur des Menschen, heißt es etwa. Na und? In der Natur des Menschen liegen auch Egoismus und eine gewisse Neigung zu Rassismus und Gewalt, das muss man ja auch nicht ausleben. Oder man wolle Mond-Ressourcen erschließen - die dürften aber vor allem für weitere Reisen ins All hilfreich sein. Oder man müsse den Chinesen zuvorkommen, ein Argument, das bedenklich an den Kalten Krieg erinnert.

Wenn das nächste Mal jemand einem Raumfahrt-Chef eine Extrafreude machen will, möge er bitte eine Flasche Wein oder eine Modelleisenbahn verschenken. Das ist sinnvoller als der Mondkram.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2019/fehu
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